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Von der Wichtigkeit des Unnützen

Gestern habe ich in Franken eine junge Künstlerin getroffen. Ich hatte bei einem Gottesdienst gesprochen und mich wie gewöhnlich als Künstler aus Marburg vorgestellt. Allein das war Grund genug für sie, nach meiner Predigt nach vorne zur Bühne zu kommen und nach meiner Kunst zu fragen.

Während meines Vortrages hatte ich meine sonstige Arbeit gar nicht erwähnt. Nur zur Einführung, als ich mich vorstellte, hatte ich kurz gesagt, was ich zuletzt gemacht habe und womit ich mich zurzeit beschäftigte. Ansonsten ging es um etwas völlig anderes.

Sie aber sprach mich auf meine Kunst an. Ich vermute, das lag daran, dass es eben nicht häufig vorkommt, dass sich jemand selbst als Künstler bezeichnet, ja das auch noch als seinen Beruf angibt. Die meisten Leute verwechseln das Wort ‚Kunst‘ mit ‚etwas sehr gut können oder machen‘. Ein Künstler ist dann jemand, der etwas sehr gut kann – oder so tut als ob. Ansonsten gilt Kunst als etwas, über das man sich freut, wenn man es sich leisten kann, das aber ansonsten nicht weiter wichtig ist und auf das man gut verzichten kann, weil es keinen Nutzen hat.

Diese junge Künstlerin sah das offenbar anders. Vielleicht wusste sie auch nicht, ob sie das anders sehen durfte. Denn wenn man jung ist und in einem Umfeld lebt, in dem die Dinge eben so gesehen werden (und das evangelikale Umfeld, in dem auch die Veranstaltung stattfand, ist in der Regel so eines), ist es schwer, eine andere Meinung zu den Dingen zu vertreten. Das erfordert unglaublich viel Selbstbewusstsein. Wie soll man das aufbringen, wenn man jung ist und dann auch noch – ausgerechnet – Kunst macht?

Ich glaube, sie sah in mir einen Verbündeten, einen Gesinnungsgenossen. Und sie freute sich, als sie mir eine Zeichnung von sich zeigte und ich nur staunen konnte, weil dieses Bild wirklich unglaublich schön und auf den Punkt gearbeitet war. Dieses Bild war einfach gut, die naive Zeichnung eines Halbmondes, die sehr kunstvoll coloriert worden war.

Ich hoffe, dass ich nicht wie ein alter Mann klang, als ich ihr sagte, dass sie sich niemals einreden lassen solle, das, was sie treibe, wäre unwichtig. Ich sagte ihr, dass sie sich immer klarmachen solle, dass Menschen bereit wären, unglaublich viel Geld für den Urlaub auszugeben, und Kunst sei mindestens genauso wichtig wie Urlaub. Und dass Menschen jederzeit Geld für Brot ausgeben würden, und Kunst sei genauso wichtig wie Brot. Schließlich heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein …

Ich weiß nicht, ob sie verstand, was ich meinte, ich denke aber schon. Hoffentlich macht sie weiter. Es war wirklich ein verdammt gutes Bild.

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