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Gofi Müller Beiträge

I miss my Birds, 2022 – Ein virtuelles Gemälde und eine kurze Erläuterung im Video

Das virtuelle Gemälde ‚I miss my Birds‘ (2022) ist ganz frisch fertig, die digitalen Farben sind quasi noch gar nicht trocken (gemalt mit der Meta Quest 2 und der App Paiting VR). Eine Freundin hat mir ein paar Fragen zu diesem Bild gestellt, und das habe ich zum Anlass genommen, kurz darauf einzugehen. Viel Spaß!


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Ein Gebet als Machtdemonstration

Neulich habe ich das hier auf Twitter entdeckt und fand es ziemlich interessant:

Ein großer, augenscheinlich muskulöser Mann steht vor einem Mikrofon. Hinter ihm ein Treppenaufgang zu einem großen, womöglich offiziellen Gebäude. Der Mann spricht mit tiefer, sonorer Stimme. Seine Augen sind geschlossen, er wendet den Kopf nicht nach rechts und links, denn er redet nicht zu den Anwesenden. Er betet.

Er sagt: „And father we just claim Oklahoma for you. Every square inch we claim it for you in the name of Jesus. Father, we can do nothing apart from you. We know we don’t battle against flesh and blood, but against principalities and darkness. And father, we just come against that, we just loose your will over our state right now in the name of Jesus. We just thank you and we claim Oklahoma for you as the authority that I have as governor, as a spiritual authority and a physical authority that you give me. I claim Oklahoma for you that we will be a light to our country, and to the world right here from our state. And we thank you that your will was done on Tuesday, and father, that you will have your way with our state, with our education system, with everything within the walls behind me and the rooms behind me, Lord, that you will root out corruption, you’ll bring the right people into this building, father, from now on. („Und Vater, wir nehmen Oklahoma für dich in Besitz. Jeden Quadratzentimeter reklamieren wir für dich im Namen Jesu. Vater, wir können nichts ohne dich tun. Wir wissen, dass wir keinen Kampf gegen Fleisch und Blut führen, sondern gegen Mächte und die Finsternis. Und Vater, wir stehen einfach dagegen auf, und wir rufen deinen Willen auf unseren Staat herab in diesem Augenblick im Namen Jesu. Wir danken dir einfach und wir nehmen Oklahoma für dich in Beschlag mit der Autorität, die mir verliehen worden ist als Gouverneur, als geistliche und physische Autorität, die du mir gegeben hast. Ich reklamiere Oklahoma für dich, dass wir ein Licht sein mögen für unser Land und die ganze Welt, ausgehend von genau hier. Und wir danken dir, dass dein Wille am vergangenen Dienstag geschehen ist, und Vater, dass du in unserem Staat nach deinem Willen handelst, im Bildungssystem, in allem, was in den Mauern des Gebäudes hinter mir und in seinen Räumen geschieht, Herr, dass du die Korruption ausrotten und die richtigen Leute in dieses Gebäude hineinführen mögest. Von jetzt an.“)

Es ist der gerade wiedergewählte Gouverneur des Bundesstaates Oklahoma Kevin Stitt. Neben ihm steht eine deutlich kleinere, hübsche Frau. Auch sie scheint zu beten, jedenfalls bleibt sie reglos, hält den Kopf geneigt und die Augen geschlossen. Das einzige, das sich an ihr bewegt, ist ihr Kiefer, denn sie kaut einen Kaugummi, und ihr linker Arm. Der beschreibt immer wieder abrupte Richtungswechsel, schnellt auf und ab, streckt sich und sinkt wieder an ihre Seite.

Sie macht diese Bewegungen nicht willkürlich. Es sind die Bewegungen des Gouverneurs, der vermutlich ihr Ehemann ist. Er hält ihre Hand in der seinen, während er betend gestikuliert. Fast scheint es so, als würde es gar nicht bemerken, dass seine Frau all seine Gesten mit ihm gemeinsam ausführen muss. Statt ihrer Hand könnte er auch ein Feuerzeug halten oder eine Fernbedienung, irgendeinen Gegenstand, aber nun ist es eben die Hand seiner Gattin. Willenlos, fast seelenlos wirkt sie dadurch, wie eine Puppe, mit der er machen kann, was er will. Dieser Eindruck ist sicher nicht beabsichtigt, vielmehr versuchen sie Einmütigkeit zu demonstrieren, ein Ehepaar im Dienste Gottes und der Menschen, vereint gegen die Mächte des Bösen.

Sie wirkt feminin, ein breiter Gürtel betont ihre schlanke Taille, das Kleid liegt eng an und hebt ihre weiblichen Kurven hervor. Er dagegen überragt sie um mehr als eine Haupteslänge, groß, maskulin, kraftvoll. Beide investieren in ihr körperliches Erscheinungsbild Zeit, Energie, sicher auch Geld. Die Rollenverteilung innerhalb ihrer Beziehung scheint klar zu sein. Natürlich weiß man nicht, was hinter den verschlossenen Türen des nun gottgeweihten Gebäudes passiert. Aber hier, vor den Augen der Menschen, ist er ihr Haupt, das sie anführt und von ihr bedingungslose Loyalität erwarten darf.

Was betet er da eigentlich? Schon klar, er weiht den Bundesstaat Gott. Aber als „geistliche und physische Autorität“? Hat das Physische nichts mit dem Geistlichen zu tun? Wie unterscheidet man das? Und, da er es im Namen von Jesus tut: Hat er auch ‚Autorität‘ über muslimische, jüdische, buddhistische, hinduistische, atheistische und sonstige Bürgerinnen und Bürger? ‚Physisch‘ schon, immerhin ist er ihr Gouverneur, aber auch ‚geistlich‘? Wie das?

Gott selbst, sagt er, habe ihm dieses Amt übertragen. Nicht die Wähler. Es war Gott. Und jetzt ist er das geistliche Oberhaupt aller Menschen in Oklahoma, seien sie nun gläubig oder andersgläubig oder nicht. Und zwar innerhalb der Staatsgrenzen. Nicht darüber hinaus, denn es hat der Gottheit gefallen, seine Autorität auf die Grenzen des Staates zu beschränken. Und als das geistliche Oberhaupt ist er befugt, Entscheidungen zu treffen, nicht nur im ‚Physischen‘, sondern auch im ‚Geistlichen‘.

Genau das tut er gerade. ‚Right here. Right now.‘ In diesem Gebet. Er bittet Gott um nichts. Er proklamiert. Sein Sprechakt ist performativ: Das, was er sagt, so glaubt er, geschieht in dem Moment, in dem er es spricht. Er muss niemanden fragen. Er muss niemanden bitten, noch nicht einmal Gott. Er handelt, indem er spricht.

Ein merkwürdiges Amtsverständnis als Politiker. Es entspricht der Lehre des ‚Seven Mountains Dominionism‘ oder des ‚Seven Mountain Mandate‘ (nach einem Buch von Lance Wallnau und Bill Johnson), die besagt, dass Christen aufgerufen sind, sieben gesellschaftliche Sphären für Gott einzunehmen und zu dominieren: Familie, Religion, Bildung, Medien, Unterhaltung, Wirtschaft und Politik. Diese Lehre hat in den vergangenen Jahren starken Auftrieb erlebt und ist ein wesentlicher Motor hinter einem politischen Phänomen, das als ‚christlicher Nationalismus‘ bezeichnet wird und das auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, wie z. B. der Sturm auf das Kapitol am sechsten Januar 2021 in Washington DC bewiesen hat.

Nicht alle Anhänger des Dominionismus bezeichnen sich als Nationalisten, nicht alle sprechen sich für den Einsatz von Gewalt aus. Aber es sind mehr, als man denken möchte und als evangelikale Christ*innen, die vor allem dem Seven Mountains Dominionism nahestehen, zugeben möchten. Denn es ist ganz maßgeblich evangelikal-theologischer Nährboden, auf dem diese polit-religiöse Lehre gewachsen und gediehen ist. Etliche von ihnen haben es in höchste politische Ämter geschafft, das politische Leben der USA trägt an vielen Stellen ihre Handschrift. Sie sprechen sich klar gegen die Trennung von Staat und Kirche aus und fordern, dass sich jede Person an christliche Wertmaßstäbe halten muss, auch Vertreter anderer Religionen, auch wenn es mit den Wertmaßstäben ihrer Religionen unvereinbar ist. Selbstverständlich sind Konflikte vorprogrammiert, und es scheint fast so, als wären die sogar erwünscht. Das eigentliche Feindbild ist nämlich die plurale Gesellschaft nach demokratischen Regeln. Das Ziel ist eine autoritäre, als christlich verstandene Regierung – die an vielen Stellen unchristlich handelt und menschliches Elend in Kauf nimmt, aber das ist ja wohl Interpretationssache, nicht wahr – und eine homogen ‚christliche‘ Gesellschaft.

Zurück zu Kevin Stitt und seiner hübschen Frau. Ist das sexistisch, wenn ich das so schreibe? Natürlich! Ist das aber das Bild, das die beiden abgeben möchten? Selbstverständlich. Sie demonstrieren das Verhältnis von Mann und Frau, Politik und Religion, Demokratie und Herrschaft. Alles in einem kurzen Gebet. Und noch etwas anderes: Macht. Denn alle, die sich nicht zum christlichen Glauben bekennen, alle, die sich nicht zu dieser Variante des Christentums bekennen, sollten sich warm anziehen.

So steht er da, mächtig, denn er ist groß und stark und ein Mann und von Gott beauftragt, und neben ihm steht seine Frau, klein und willig, der alte und neue Gouverneur von Oklahoma. So hat es Gott gewollt, denn er hat die Wähler so entscheiden lassen. Und wenn es irgendwann keine Wähler mehr gibt, weil die Demokratie abgeschafft worden ist, dann kriegt er das auch anders hin. Halleluja.

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Der Blick nach draußen

Während ich diese Zeilen schreibe, sitzen Kinder in Kiew in Luftschutzbunkern. Sie waren gerade dabei, sich für die Schule fertig zu machen, als überall in der Stadt iranische, vom russischen Militär gelenkte Kamikaze-Drohnen einschlugen. Die Angriffe dauern in diesen Momenten an. Auch im übrigen Land haben einschlagende Raketen die Menschen die ganze Nacht über wachgehalten. Wenn sie Glück hatten.

In der Zwischenzeit ist das Feuer im berüchtigten Evin Gefängnis in Teheran gelöscht, nachdem es lange so ausgesehen hat, als hätten die Behörden es nicht besonders eilig damit. Dort sitzen viele ein, die gegen das iranische Mullah-Regime protestiert haben.

Die Proteste waren ausgebrochen, als die junge Mahsa Amini von der Religionspolizei festgenommen worden war, weil sie ihr Kopftuch angeblich nicht richtig getragen haben soll. Sie ist in der Haft gestorben. Ihre Familie sagt, dass ihr toter Körper Spuren von Gewalt aufgewiesen hat.

Inzwischen sind viele, die sich an den Aufständen beteiligt haben, bereits ermordet worden. Sie wurden mit scharfer Munition erschossen. Es gibt auch zahlreiche Berichte von jungen Frauen, die in der Haft von der Polizei erst vergewaltigt und dann getötet worden sein sollen. Manche von ihnen sollen vor ihrem Tod grausam verletzt worden sein.

Ein wichtiges Zeichen dieser Proteste ist, dass Frauen das Kopftuch demonstrativ abnehmen, das sie eigentlich gezwungen sind zu tragen. Es gibt zahlreiche Videos in den sozialen Medien, in denen Schülerinnen sich in den Schulen vor das Foto des Religionsführers stellen, ihre Kopftücher abreißen, sie durch die Luft schwenken und ihm den Mittelfinger zeigen. Dabei skandieren sie „Frau, Leben, Freiheit“, ein Slogan, den sie von der kurdischen Unabhängigkeitsbewegung übernommen haben.

Möglicherweise weißt Du das alles schon längst. Mich beschäftigen diese Dinge sehr. Auch wenn es wichtig ist, dass wir auf uns selbst achten und unsere seelische Hygiene und Ökonomie im Blick behalten – der Blick nach draußen zu den anderen, in die Welt ist genauso wichtig.

Deshalb poste ich heute diese beiden Gemälde, die ich mit meiner Virtual Reality Brille digital gemalt habe. Die ‚Rote Antilope‘ ist schon vom Beginn des Jahres, als der Krieg gegen die Ukraine begann. Und ‚Frau, Leben, Freiheit‘ ist von letzter Woche.


Dieser Artikel ist ein GOFIGRAMM. Ich versende diesen Newsletter jeden Montag und schreibe darin irgendetwas, das mich bewegt, freut, aufregt, zum Lachen bringt oder Ähnliches. Wenn Du auch das GOFIGRAMM abonnieren möchtest, kannst Du es hier auf der Webseite tun.

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‚300‘, Meloni und die neuen Faschisten

In der letzten Folge von Cobains Erben über den neofaschistischen Film ‚300‘ von Zack Snyder habe ich angekündigt, ich würde meine Notizen, die ich mir während des Anschauens des Films gemacht habe, hier noch einmal als Artikel veröffentlichen. Später bin ich mir nicht mehr sicher gewesen, ob das wirklich nötig ist. Wen interessiert das? Doch nur diejenigen, die den Film gesehen haben. Und die sollten bei dessen holzhammermäßiger Bildsprache von ganz alleine auf die Idee gekommen sein, dass die Ähnlichkeiten mit der Propaganda der Nazis bzw. der Neo-Rechten offensichtlich sind. Dazu braucht es keinen weiteren Artikel von mir, dachte ich.

Aber genau eine Woche nach der Veröffentlichung unserer Folge passierte etwas: Italien hat seit Sonntag eine faschistische Premierministerin. Giorgia Meloni hat mit ihrer Partei, der Nachfolgerin der Partei Mussolinis, die Wahl gewonnen. Sie sieht sich zumindest teilweise in der Tradition des Duces, was ihr Slogan ‚Gott, Vaterland, Familie‘ überdeutlich macht.

In den sozialen Netzwerken kursierte sehr bald ein Schnipsel aus einer älteren Rede von ihr, der von Rechts-Konservativen bejubelt wurde:

„Wow“, schreibt Malcolm Roberts, Senator von Queensland auf Twitter, „Italiens neue Premierministerin Giorgia Meloni fasst es perfekt zusammen. Kein Wunder, dass die Eliten und das Establishment nicht wollen, dass sie gewinnt.“

Die Eliten? Das Establishment? Wenn jemand wie Roberts der Gouverneur eines australischen Bundesstaates ist, ist er dann nicht auch Teil der Elite und des Establishments? Oder muss er nach Feierband im Park Pfandflaschen sammeln, um sein Einkommen aufzubessern? Wohnt er in einem Wohnblock an einer dichtbefahrenen Straße? Kann er es sich leisten zu heizen? Wer sind diese Eliten, zu denen der Gouverneur von Queensland nicht gehören will?

Vielleicht sind es die ‚financial speculators‘, von denen Meloni spricht. Aber wer soll das sein? Wer ist so gemein, aus uns Sklaven des Konsumismus, eine Nummer, eine Zahl machen zu wollen, damit wir die Taschen, die Geldkoffer der ‚Spekulanten‘ füllen? Wer will uns unsere Identität rauben als Bürger einer Nation, als Mütter, Väter, Ehemänner- und -frauen, Christen und Christinnen?

Der Historiker und Buchautor Michael Beschloss hat dazu eine interessante Beobachtung, die er ebenfalls auf Twitter geteilt hat.

Juden.

Juden? Warum gerade die? Weil sie schon in den Verschwörungstheorien der Ur-Ur-Ur-Ahnen als die gelten, die die globalen Geldflüsse kontrollieren und alle hart und – im Gegensatz zu ihnen: ehrlich – arbeitenden Menschen in den Untergang treiben. Sie, die angeblich keine eigene Identität haben, aber vermeintlich in allen großen Aktionen der Finanzwirtschaft ihre Finger im Spiel haben. Meint Meloni das so?

Sie würde es mit Sicherheit verneinen, wenn man sie darauf ansprechen würde. So wie Zack Snyder es bestimmt verneinen würde, wenn man ihn fragte, ob der reiche, mit Goldketten behangene Schwarze, der die verkommenen Priester und das griechische Parlament im Film kauft, damit sie gegen den Krieg der Spartaner stimmen, ob dieser diabolisch grinsende Typ eine antisemitische Anspielung sei. Nein, natürlich nicht, würden sie beide sagen, wir haben überhaupt nichts gegen Juden. Wir sind Freunde des jüdischen Volkes, mein Gott, mein BESTER FREUND ist Jude! Wir benutzen eben nur Worte und Bilder, die rezeptionsgeschichtlich so vorbelastet sind, dass sie von Eingeweihten sofort als antijüdische Propaganda erkannt werden müssen.

Was beide, sowohl Meloni wie auch Snyder beschreiben, ist der Abwehrkampf einer kleineren Gruppe von Menschen, die sich ihrer Identität bewusst ist (geschlechtlich, national, kulturell), gegen eine Übermacht heterogener, kulturell und auch sexuell pluraler Massen, die über die kleine Schar Getreuer hereinzubrechen droht, so dass die gezwungen ist, sich in einem heroischen Krieg zu behaupten. Hinter diesem Ansturm steht nach Überzeugung der kleineren Gruppe etwas Böses – eine Macht, eine Lobbygruppe, ein Herrscher, eine Weltanschauung – gegen das es zu kämpfen gilt.

Diese Geschichte erzählt der Film. Und sie klingt an in neo-rechter Rhetorik, im Gerede von der Überfremdung, vom Großen Austausch, dem Great Reset. Oder von ‚financial speculators‘.

Warum ist es wichtig, über einen Film wie ‚300‘ zu sprechen? Weil er leider relevant ist, wie der vergangene Sonntag zum x-ten Mal beweist. Weil Filme wie dieser das verschwörungstheoretische Bildrepertoire anreichern, neu aufladen, es auf aktualisierte Weise neu zugänglich machen, so dass Verschwörungstheoretiker einzelne Tropen nur ansprechen brauchen, um die Erinnerung an das ganze, große Narrativ zu wecken, um die Gläubigen neu zu bestärken, um sie für den gemeinsamen Kampf zu motivieren, um die Reihen zu schließen, wie es ‚300‘ ausdrücklich thematisiert: „A Spartan’s greatest strength: The warrior next to him!“, weshalb es nicht Schlimmeres gibt als einen (Volks-)Verräter. Klingt bekannt? Soll es auch.

Der Kampf für ‚Gott, Vaterland, Familie‘ spielt nicht nur in ‚300‘ eine große Rolle, sondern seit Neuestem auch wieder in Italien. Und nicht nur dort. Wobei klar ist, welcher Gott, welches Vaterland und welche Form der Familie damit gemeint ist und welche nicht.

(Nachtrag, den ich hier anfügen muss, um meinen Schluss nicht kaputt zu machen: Du denkst vielleicht: „Welcher Gott denn? In ‚300‘ ist es Zeus, für Meloni ist es Jesus Christus. Im Film kämpft Sparta für Griechenland, Meloni kämpft für Italien.“ Dir scheint die Szene im Film entgangen zu sein, in der Leonides in der Schlucht am Meer von hinten zu sehen ist, während sich seine Getreuen hinter ihm versammeln. Diese Szene ist natürlich kein Zufall, sondern spielt ikonographisch an die Darstellungen von Mose und Israel beim Durchzug durch das Rote Meer an. Und der sich anschließende Triumph, als die persische Flotte im Sturm ertrinkt, spielt an die Freude Israels an, als das ägyptische Heer von den Wassermassen begraben wird. Es wird also von Zeus geredet, aber gemeint ist damit eigentlich ‚unser‘ Gott. Also doch kein Antisemitismus? Immerhin wird hier ein großer jüdischer Mythos zitiert. Ich würde behaupten: Eher in dem Sinne, wie Konservative (und Neu-Rechte) vom ‚jüdisch-christlichen Erbe‘ sprechen und damit (indem sie unter den Tisch fallen lassen, wie desaströs dieses Erbe für Juden gewesen ist) vor allem Europa meinen. Europa im Sinne von: weiß, christlich, rational, national. So darf man getrost auch Meloni verstehen, wenn sie ‚Italien‘ sagt. Zumindest würde mich das nicht wundern. Und die ‚Familie‘ besteht natürlich aus Vater, Mutter, Kind.)


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Erträglich leben unter harschen Bedingungen – Über eine schöne und richtungsweisende Kunstaktion

Stell dir vor, deine Straße wird grün. Stein und Asphalt verschwinden unter einer Rasenfläche. Stell dir vor, du könntest an einem heißem Tag, während du nach Hause gehst, die Schuhe ausziehen und kühles Gras unter deinen Füßen spüren. Und stell dir vor, dass die Wände der Häuser keine Hitze reflektieren, weil an ihnen Pflanzen wachsen, die Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben.

Wir haben am letzten Sonntag so etwas Ähnliches in Marburg gemacht. Wobei ‚wir‘ nicht so richtig stimmt. Ich durfte bei einer Sache mitmachen, die sich drei arrivierte Künstler*innen aus Marburg ausgedacht haben und zu der sie knapp 20 weitere Künstlerinnen und Künstler eingeladen haben, daran teilzunehmen.

Ich bemühe mich erst seit etwa ein bis zwei Jahren um Anschluss an die lokale Szene, weil ich zu sehr mit überregionalen Projekten wie zum Beispiel Hossa Talk beschäftigt gewesen bin. Dass Ursula Eske, Waltraud Mechsner-Spangenberg und Edgar Ziese mich gefragt haben, ob ich bei ihrem Projekt dabeisein möchte, war für mich eine großartige Gelegenheit, Marburger Protagonist*innen kennenzulernen, eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Von ihrem Plan, die gesamte Gasse Zwischenhausen, in der sich Ursulas Atelier ‚Zwischen den Häusern‘ befindet, mit Rollrasen auszulegen, war ich erst einmal gar nicht so beeindruckt. Ich fand die Idee nett, hielt sie für einen hübschen Einfall mit großem Aufwand, dessen künstlerischen Wert ich nicht erkennen konnte. Ich glaubte, es würde dann vor allem auf die Kunstwerke ankommen, die sich auf dem Rasen abspielen würden.

Deshalb war ich total erstaunt, als ich die unmittelbare Wirkung der begrünten Straße auf mich und alle anderen erlebte. Man wurde sofort ruhiger und entspannte sich. Die Farbe, die Weichheit unter den Füßen, die leichte Kühle, die man von unten spürte, das alles wirkte sich sofort auf Körper und Psyche aus. Diese Aktion hätte würde ohne Weiteres zu den Kunstwerken und -aktionen des chinesischen Künstler Ai WeiWei passen (, dessen Buch ich zufällig dabei hatte. Es ist sehr lesenswert, ich werde bei Gelegenheit eine kleine Rezension schreiben.)

Ich blieb von 13 bis 23.30h im begrünten Zwischenhausen, hatte eine Reihe wunderschöner Begegnungen und führte viele Gespräche. Ich blieb die meiste Zeit bei meiner Installation ‚Marburg 2432‘ stehen, die eine Art möglicher Zukunftsvision von Marburg entwirft, und bot den Leuten die Gelegenheit, mich anzusprechen, wenn sie gerne über die Bilder reden oder etwas fragen wollten.

Meine Zukunftsvision ist nicht sehr optimistisch, weil mir ehrlich gesagt der Optimismus angesichts der Weltlage manchmal flöten geht. Weil wir uns bereits Veränderungen gegenüber sehen, von denen es vor Jahren noch hieß, es gelte, sie aufzuhalten. Das hat nicht geklappt. Und der Wille, Schlimmeres zu verhindern, scheint weder in der Bevölkerung noch in der Politik stark ausgeprägt zu sein. Wenn es darum geht, den gewohnten Lebensstandard zu bewahren, bescheißt man sich anscheinend lieber selbst, als notwendige Änderungen vorzunehmen.

Das Experiment mit der Straßenbegrünung allerdings hat mir doch etwas Hoffnung gemacht. Vielleicht ist es ja möglich, dass man es sich in harscher gewordenen Lebensumständen erträglich einrichten kann. Es gibt schon lange Pläne, die Städte zu begrünen, um Hitze zu absorbieren und sie bewohnbar zu erhalten. Das wird bisher nicht getan, auch nicht in meiner tollen Stadt Marburg. Aber das wird sich sicher ändern. Das Umweltbundesamt hat gerade erst wieder darauf gedrungen. https://www.morgenpost.de/vermischtes/article235950153/Hitzewelle-Umweltbundesamt-dringt-auf-Umbau-der-Staedte.html Nach einigen Hitzesommern und recht vielen Hitzetoten wird es uns auffallen, dass wir ziemlich gute Ideen in der Schublade liegen haben.

Bin ich sarkastisch? Sorry, ich wollte mich eigentlich über eine rundum gelungene Aktion freuen, bei der ich mitmachen durfte. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Kunst so alles kann: Sie gibt wesentliche Anregungen, sie führt experimentell vor, sie öffnet Räume zu Begegnungen und Gesprächen, sie ermöglicht es Menschen, Mensch zu sein oder zumindest darüber nachzudenken, wie man es wieder werden könnte. Das ist viel. Das ist mir am letzten Sonntag klar geworden. Und dass ich mich mit meiner Kunst daran beteiligen darf und etliche von euch mich dabei unterstützen, freut mich sehr.

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Stell dir vor, deine Straße wird grün. Stein und Asphalt verschwinden unter einer Rasenfläche. Stell dir vor, du könntest an einem heißem Tag, während du nach Hause gehst, die Schuhe ausziehen und kühles Gras unter deinen Füßen spüren. Und stell dir vor, dass die Wände der Häuser keine Hitze reflektieren, weil an ihnen Pflanzen wachsen, die Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben.

Wir haben am letzten Sonntag so etwas Ähnliches in Marburg gemacht. Wobei ‚wir‘ nicht so richtig stimmt. Ich durfte bei einer Sache mitmachen, die sich drei arrivierte Künstler*innen aus Marburg ausgedacht haben und zu der sie knapp 20 weitere Künstlerinnen und Künstler eingeladen haben, daran teilzunehmen.

Ich bemühe mich erst seit etwa ein bis zwei Jahren um Anschluss an die lokale Szene, weil ich zu sehr mit überregionalen Projekten wie zum Beispiel Hossa Talk beschäftigt gewesen bin. Dass Ursula Eske, Waltraud Mechsner-Spangenberg und Edgar Ziese mich gefragt haben, ob ich bei ihrem Projekt dabeisein möchte, war für mich eine großartige Gelegenheit, Marburger Protagonist*innen kennenzulernen, eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

Von ihrem Plan, die gesamte Gasse Zwischenhausen, in der sich Ursulas Atelier ‚Zwischen den Häusern‘ befindet, mit Rollrasen auszulegen, war ich erst einmal gar nicht so beeindruckt. Ich fand die Idee nett, hielt sie für einen hübschen Einfall mit großem Aufwand, dessen künstlerischen Wert ich nicht erkennen konnte. Ich glaubte, es würde dann vor allem auf die Kunstwerke ankommen, die sich auf dem Rasen abspielen würden.

Deshalb war ich total erstaunt, als ich die unmittelbare Wirkung der begrünten Straße auf mich und alle anderen erlebte. Man wurde sofort ruhiger und entspannte sich. Die Farbe, die Weichheit unter den Füßen, die leichte Kühle, die man von unten spürte, das alles wirkte sich sofort auf Körper und Psyche aus. Diese Aktion hätte würde ohne Weiteres zu den Kunstwerken und -aktionen des chinesischen Künstler Ai WeiWei passen (, dessen Buch ich zufällig dabei hatte. Es ist sehr lesenswert, ich werde bei Gelegenheit eine kleine Rezension schreiben.)

Ich blieb von 13 bis 23.30h im begrünten Zwischenhausen, hatte eine Reihe wunderschöner Begegnungen und führte viele Gespräche. Ich blieb die meiste Zeit bei meiner Installation ‚Marburg 2432‘ stehen, die eine Art möglicher Zukunftsvision von Marburg entwirft, und bot den Leuten die Gelegenheit, mich anzusprechen, wenn sie gerne über die Bilder reden oder etwas fragen wollten.

Meine Zukunftsvision ist nicht sehr optimistisch, weil mir ehrlich gesagt der Optimismus angesichts der Weltlage manchmal flöten geht. Weil wir uns bereits Veränderungen gegenüber sehen, von denen es vor Jahren noch hieß, es gelte, sie aufzuhalten. Das hat nicht geklappt. Und der Wille, Schlimmeres zu verhindern, scheint weder in der Bevölkerung noch in der Politik stark ausgeprägt zu sein. Wenn es darum geht, den gewohnten Lebensstandard zu bewahren, bescheißt man sich anscheinend lieber selbst, als notwendige Änderungen vorzunehmen.

Das Experiment mit der Straßenbegrünung allerdings hat mir doch etwas Hoffnung gemacht. Vielleicht ist es ja möglich, dass man es sich in harscher gewordenen Lebensumständen erträglich einrichten kann. Es gibt schon lange Pläne, die Städte zu begrünen, um Hitze zu absorbieren und sie bewohnbar zu erhalten. Das wird bisher nicht getan, auch nicht in meiner tollen Stadt Marburg. Aber das wird sich sicher ändern. Das Umweltbundesamt hat gerade erst wieder darauf gedrungen. Nach einigen Hitzesommern und recht vielen Hitzetoten wird es uns auffallen, dass wir ziemlich gute Ideen in der Schublade liegen haben.

Bin ich sarkastisch? Sorry, ich wollte mich eigentlich über eine rundum gelungene Aktion freuen, bei der ich mitmachen durfte. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Kunst so alles kann: Sie gibt wesentliche Anregungen, sie führt experimentell vor, sie öffnet Räume zu Begegnungen und Gesprächen, sie ermöglicht es Menschen, Mensch zu sein oder zumindest darüber nachzudenken, wie man es wieder werden könnte. Das ist viel. Das ist mir am letzten Sonntag klar geworden. Und dass ich mich mit meiner Kunst daran beteiligen darf und etliche von euch mich dabei unterstützen, freut mich sehr.

Du kannst Artikel wie diesen als kostenlosen Newsletter abonnieren. So bekommst Du die Texte direkt zugeschickt und erfährst, wenn ich neue Aktionen plane, an denen Du teilnehmen kannst. Und wenn Du magst, was ich mache, und es mir ermöglichen willst, dies auch in Zukunft zu tun, kannst Du mich dabei unterstützen. Gib mir monatlich über meine Steady-Plattform eine Tasse Kaffee, einen Burger mit Pommes oder eine Gute Mahlzeit aus und hilf mir dabei, die Welt ein bisschen schöner zu machen. Wenn es Dir lieber ist, mich per PayPal zu unterstützen, kannst Du das auf meiner Webseite tun. Vielen Dank!

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Fear

Virtuelles Gemälde (Oculus Quest 2, Painting VR).

Neulich habe ich zum ersten Mal während einer Veranstaltung gemalt. Bisher habe ich das für mich strikt abgelehnt, weil ich es mir nicht vorstellen konnte, mir bei der Arbeit zuschauen zu lassen. Mit diesem Prinzip habe ich allerdings bereits gebrochen, als ich damit begann, mein Malen zu filmen.

Das Malen während einer Veranstaltung war nun überhaupt keine Hürde, denn es handelte sich um einen Gottesdienst, der online übertragen wurde. Tatsächlich war ich also lediglich in meinem Wohnzimmer, und die einzigen, die mich bei der Arbeit beobachteten, waren unsere Nymphensittiche.

Es war dennoch etwas Neues, ein Ereignis malend zu begleiten, Impulse und Gedanken aufzunehmen und zu schauen, wohin sie mich malerisch treiben würden. Herausgekommen ist dieses Bild. In der virtuellen Welt ist es 100 x 150 cm groß.

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Jacob’s Ladder (God spare the girls)

Dies ist ein virtuelles Gemälde. Ich habe es mit einer VR-Brille und Controllern gemalt (Oculus Quest 2). In der virtuellen Welt ist es ca. 200 mal 100 cm groß.

Die App, die das ermöglicht (Painting VR) führt den User in ein virtuelles, riesiges Atelier, in dem alles, was man für das Malen benötigt, bereitsteht. Wie das aussieht und wie die Arbeit vonstatten geht, kannst Du Dir in diesen beiden Videos anschauen, die ich von der Arbeit an diesem Bild gemacht habe.

In einem der Videos erzähle ich, dass ich das Motiv schon einmal gemalt habe. Es handelt sich um dieses Bild:

Warum gerade Jakob? Er fasziniert mich, weil er in der Geschichte der beiden Brüder der feinsinnigere, vermutlich stillere ist. Er steht für mich für das Künstlerische, während Esau eher der Mann fürs Grobe zu sein scheint. Als Künstler fühle ich mich dem jüngeren Bruder näher. Dass er später Flucht, harte Arbeit und das Ringen mit Gott auf sich nehmen muss (gegen seinen Willen), macht ihn noch interessanter. Aber er ist eben auch der mit der Vision der Leiter zwischen Himmel und Erde, in der himmlische und irdische Wirklichkeiten ineinander verschwimmen. Die Kunst versucht auf ihre Weise ja ebenfalls diese Art der Transzendierung der Wirklichkeitssphären zu erreichen. 

Schon vor längerer Zeit habe ich über ein Jakob ein Gedicht geschrieben. Es geht so:

Jakob

Draußen klappern alte Zäune während hier drinnen Pinselborsten flüstern Am Tisch ersinnst du neue Träume: Jakob, der Häusliche unter den rauen Männern
Dein größter Kampf steht noch bevor doch davon willst du jetzt nichts wissen du liebst die Gegenwart der Frauen genießt ihr Necken und ihr Schelten und lässt
das Grobe Esau machen
Dort draußen, bei den grauen Zäunen

Du siehst: Der Mann beschäftigt mich. 

Ich hoffe, Dir gefallen Bilder und Gedicht. Bis zum nächsten Mal.


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Wie sieht die Zukunft aus?

Ich habe in den letzten Monaten an einem Kunstwerk gearbeitet, das ich zu einer gemeinsamen Aktion Marburger Künstler*innen beisteuern werde. Die Aktion heißt „Zwischenhausen zwischen den Welten“ und findet am 17. Juli anlässlich des Marburger Stadtjubiläums ‚Marburg800‘ im Zentrum der Stadt statt und zwar von 15 bis 23h.

Zwischenhausen ist eine kleine Gasse ganz in der Nähe der Elisabethkirche. Hier befindet sich das ‚Atelier Zwischen den Häusern‘ von Ursula Eske, die zusammen mit Waltraud Mechsner-Spangenberg und Edgar Zieser die Sache verantwortet und koordiniert. In dieser kleinen Gasse werden sich etwa 20 Künstler*innen austoben und Performances, Installationen, Bilder und Musik zeigen.

Es geht darum, Marburg zu ‚erfinden‘. Wie wird sich die Stadt, wie könnte sie sich in Zukunft verändern, wenn man an die Auswirkungen von Wetter-, Klima- und Strukturwandel denkt?

Ich freu mich sehr, dass Ursula, Waltraud und Edgar mich eingeladen haben, an dieser Aktion mitzuarbeiten! Natürlich habe ich zugesagt und mir sofort den Kopf darüber zerbrochen, was ich wohl zeigen könnte.

Mit ist ziemlich schnell klar geworden, dass es mir schwerfällt, optimistisch in die Zukunft zu schauen. Ich lebe am Waldrand und habe es mir angewöhnt, meinen Wald nicht nur mit Zuneigung, sondern auch mit Sorge zu betrachten. Ich mache mir Gedanken über das Wetter, ob es zu viel oder zu wenig regnet, beobachte das Laub der Bäume und Sträucher und halte Ausschau nach Anzeichen von Trockenheit, ich suche nach dem Aufkommen von Insekten und Vögeln und freue mich, wenn ich das Gefühl habe, dass sie zahlreich sind, auch wenn ich weiß, dass statistisch gesehen sowohl die Zahl der Insekten als auch der Singvögel drastisch zurückgeht.

Wie wird Marburg in Zukunft aussehen? Das wüsste ich auch gerne. Ich hoffe: Stark bewaldet mit vielen Laubbäumen und wenigen Nadelhölzern, wild, feucht und dicht, ohne Motorenlärm, dafür mit Wohngebäuden, die sich an die klimatischen Verhältnisse angepasst haben und die es möglich machen, nicht nur Energie zu sparen, sondern vielleicht sogar neue zu erzeugen. Aber es fällt mir nicht schwer, mir das Gegenteil vorzustellen.

Ich habe zwei Visionen entworfen. Beide Bilder sind Montagen, die Malerei und Fotografie miteinander verbinden. Das Gemälde ‚Rote Antilope‘ habe ich mit einem Virtual Reality Headset gemalt. Es zeigt eine fliehende Antilope, die zu einem Sprung über ein Autowrack ansetzt. Im Hintergrund sind zerstörte Hochhäuser zu sehen. Die Szene spielt vor einem unruhigen Himmel mit einem sich scheinbar auflösenden Mond und einer gleichermaßen unruhigen, wüstenartigen Landschaft, die in Wellen zum rechten unteren Bildrand hin abzukippen scheint. Die Themen Krieg, Flucht, Vertreibung klingen an, aber auch Hitze, Wüste und das Meer als Salzwasserwüste.

Um dem Motiv einen Bezug zu Marburg zu verleihen, habe ich mich auf dem ‚Richtsberg‘ auf die Suche nach Motiven gemacht. Der Richtsberg ist ein sozialer Brennpunkt in Marburg, auf dem ähnliche Türme stehen, wie sie im Hintergrund des Bildes zu sehen sind. Dort habe ich das Wandbild einer blauen Giraffe gefunden. Sie passt perfekt zur Anmutung des Bildes. Ich habe sie fotografiert und in das Gemälde montiert.

Das zweite Bild ist eine Fotomontage, das den Platz rund um die Elisabeth-Kirche im Jahr 2432 zeigt. Der Wald hat sich den Ort zurückerobert. Wie schon auf dem ersten Bild sind nirgends Menschen zu sehen, nur ein weiteres Autowrack zeugt davon, was den früheren Bewohnern einmal wichtig gewesen ist. Belebt wird die Szene von merkwürdigen Tieren. Ich habe sie gemalt und in das Foto hineinmontiert: eine Katze aus Papier, eine grüne Antilope mit Boxhandschuhen auf den Hörnern und ein Bär. Auf der Tür des Autowracks hat sich ein Nymphensittich niedergelassen und protzt. Fast scheint es, als würde er den Sieg der Natur über die Zivilisation verkünden.

Im linken oberen Teil des Bildes fehlen Teile der Kirche, zwischen dem Geäst der Bäume schimmert Himmel durch, wo sich eigentlich Mauerwerk befinden sollte. Es ist ein harter Bruch zwischen den Wirklichkeitsebenen: Können Natur und Kultur friedlich nebeneinander existieren oder sind es konkurrierende Wirklichkeiten, die letztlich immer im Widerstreit miteinander liegen?

Begleitet und untermalt werden die beiden Bilder von einer Klanginstallation, die in Dauerschleife laufen wird. Es handelt sich um ein Stück, das etwa 02:20 Minuten lang ist. Zu hören ist zunächst Wind und ein großes Feuer. Metall knarrt. Hufgetrappel nähert sich. Ein Tier springt, berührt mit den Hufen den metallischen Gegenstand, dann verliert sich das Getrappel in der Ferne. Die Szene wechselt, jetzt ist ein Bach zu hören und zwitschernde Vögel. Hier und da flattert ein Vogel auf. Irgendwo ruft ein Kuckuck.

Die Bilder habe ich auf Leinwand im Format 60 x 80 cm drucken lassen. Ich werde sie je auf eine Staffelei stellen, so dass man sie nebeneinander betrachten kann. Dazwischen werde ich einen kleinen Tisch aufstellen, auf dem ein Bluetooth Lautsprecher die Klanginstallation abspielen wird.

Mein Vorschlag an Dich, wenn Du das Kunstwerk genießen willst, wie es mir vorstelle: Betrachte die Bilder abwechselnd, während Du der Klanginstallation lauschst. Wechsle je nach Geräuschkulisse zum jeweiligen Bild. Vielleicht ist es aber auch interessant, die Bilder mit dem ‚falschen‘ Sound zu betrachten.
Wenn Du möchtest, kannst Du die Installation in einem virtuellen Ausstellungsraum auf Dich wirken lassen. Die Bilder hängen quasi vor Dir an der Wand, während der Sound abgespielt wird, sowie Du den Raum betrittst. Hier geht es zur Ausstellung:

Was denkst Du? Welche Ideen kommen Dir? Gefällt Dir, was Du siehst und hörst?


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