Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ – als Fortsetzungsgeschichte. Wie kam es überhaupt dazu, dass wir dieses Album aufgenommen haben? In den nächsten Tagen erscheinen die nächsten Folgen der Story. Und natürlich dürft ihr auch die Musik hören.
SO ENTSTANDEN DIE SONGS
Das Liederschreiben ist keine Hexerei. Das wirkt nur so. Lieder können ein Lebensgefühl beschreiben, sie können uns zum Lachen oder Weinen bringen oder ein Ventil für unsere Wut sein. Da liegt der Gedanke nahe, dass die, die diese Lieder schreiben, über eine besondere Fähigkeit verfügen, die andere nicht haben.
Aber ich glaube nicht, dass das so ist. Meiner Meinung nach ist das Schreiben eines Liedes eine ziemlich prosaische Angelegenheit. In den allermeisten Fällen kommt es mir so vor, als würde ich etwas zusammenbauen, eine Konstruktion, die manchmal kompliziert, manchmal aber auch sehr einfach sein kann. Wozu der Song in der Lage ist, merke ich erst, wenn er fertig ist. Bis dahin muss ich meiner Intuition vertrauen.
Auf meinem Smartphone habe ich eine App, mit der meine Stimme aufnehmen kann. Wenn ich eine Idee für eine Melodie oder ein Motiv habe, pfeife oder summe ich sie darauf. Denn ich weiß, dass ich sie schon bald wieder vergessen haben werde. Ob es sich um eine gute oder schlechte Idee handelt, weiß ich in dem Moment nicht. Das ist auch nicht wichtig, ich werde das später entscheiden. Das einzige, das jetzt zählt, ist, dass ich sie nicht wieder verliere.
Als ich mich an das Schreiben der Songs machte, die auf ›Ohne mich geht‹s nicht‹ zu hören sein sollten, tat ich tagelang nichts anderes, als mich durch meine Audioskizzen zu hören und zu entscheiden, ob die Ideen für mich brauchbar waren oder nicht. Viele verwarf ich sofort. Andere schienen mir vielversprechender zu sein, so dass ich sie mir merkte. Und bei einigen klickte es einfach. Ich fing spontan an, nach Worten zu suchen, die zu den Tönen passen würden.
Ich gehe auch hier ganz intuitiv vor. Es ist ein bisschen so, als würde man mit einem Stock in einem Teich rühren. Die Worte treiben wie Luftblasen an die Oberfläche. Ob ich sie wähle oder nicht, mache ich davon abhängig, ob sie sich ›gut anfühlen‹ oder nicht. In Wirklichkeit geht es nicht um ein Gefühl. Es geht zunächst um den Klang und die Rhythmik in Verbindung mit der Melodie. Und dann geht es um Themen, die mich in letzter Zeit intensiver beschäftigt haben.
Die Intuition hat weder mit dem Bauch noch mit dem Gefühl etwas zu tun, sondern sie ist Teil unseres Bewusstseins. Das, was hier schlummert, mag uns in den letzten Tagen oder Wochen nicht besonders vor Augen gestanden haben. Aber wir haben trotzdem darüber nachgedacht, es mit uns herumgetragen, vielleicht sogar davon geträumt.
Beim Schreiben lasse ich diese Dinge aufsteigen. Ich beschränke mich bewusst nicht, versuche mich nicht auf irgendwelche Aussagen festzulegen, sondern notiere, was mir in den Sinn kommt (mit Kugelschreiber, in ein Notizbuch aus Karton und Papier, weil es gut tut, die ganze Hand zu benutzen und nicht nur die Finger zu bewegen). Dabei sitze ich nicht an einem Tisch, sondern laufe im Haus herum, räume auf, spüle ab, lege Wäsche zusammen oder wische Staub. Ich könnte auch Schrauben und Muttern sortieren oder eine Werkstatt aufräumen. Entscheidend an diesen Tätigkeiten ist nur, dass sie langweilig sind, dass sie mich geistig nicht in Beschlag nehmen und dass sie mir das Gefühl geben, etwas Sinnvolles zu tun. Es ist ein Trick, mit dem ich meinen inneren Preußen überliste, denn für den ist künstlerische Arbeit nutzlose Liebhaberei, und er will mich ständig zu ›nützlicher‹ Arbeit antreiben.
Wovon der Text handelt, erkenne ich oft erst, während ich ihn aufschreibe: ob mich die Dokumentation über einen erfolgsverrückten, englischen Fußballtrainer aus den Sechzigern inspiriert (›Auch nicht alles‹) oder die Tatsache, dass ich mich selbst als zu dick empfinde, gleichzeitig aber über die top-fitten Rentner in meiner Siedlung staune (›Hey, Hey, schöne Frau‹), ob ich die Jahre unmittelbar nach meinem Berufsaustieg reflektiere (›Ohne mich geht‹s nicht‹) oder mich darüber ärgere, dass ich manche Dinge in meinem Leben nicht wenigstens versucht habe, weil ich mir vorschnell eingeredet habe, dass sie sowieso nicht funktionieren würden (›Irgendwas ist immer‹). Im Augenblick der Niederschrift taucht das Thema auf. Und dann verändert es sich auch schon wieder. Denn es geht mir nicht darum, die Wirklichkeit zu dokumentieren. Viel wichtiger finde ich es, eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, nicht wie sie gewesen ist, sondern wie sie hätte sein können.
Erst an diesem Punkt denke ich über die Harmonien des Liedes nach. Ich hätte es vielleicht schon eher getan, wenn ich mehr darüber wüsste. Aber das einzige musikalische Fachwissen, das ich habe, sind ein paar rudimentäre Kenntnisse aus der Schulzeit. Deshalb suche ich mir Hilfe: Zuerst bei einer Software von Apple. Und dann bei Manu.
(Fortsetzung folgt)