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Gofi Müller Beiträge

… was zusammen gehört.

Touren hieß in der Vergangenheit immer, der Lonely Rider zu sein. Alleine losfahren, alleine irgendwo ankommen, sein Programm machen und dann alleine wieder abreisen. Inzwischen hat sich das geändert. Ich genieße das in vollen Zügen.

Eine verstopfte Autobahn ist auf einmal gar nicht mehr so schlimm, wenn man mit vier Freunden unterwegs ist. Eine unbekannte Bühne für sich einzunehmen, ist auch viel leichter. Und wenn du dann auch noch die Stücke selber magst, die du aufführst, kann nichts mehr schiefgehen.

Die Männer von Rhadio und ich haben bei unseren Konzertlesungen in Wuppertal und Siegen viel Spaß gehabt. In Wuppertal sind wir beim ‚Netzwerk-Begegnung e. V.‘ eingeladen gewesen, eine Arbeit, die sich für Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung einsetzt.

Nach Siegen hat uns der ‚Frei:Raum‘ eingeladen, eine famose, kleine Kulturarbeit mit Herz und Hirn.

Und bei beiden Auftritten fügte sich alles schön ineinander: die Musik, die Texte der Songs und auch die Texte, die ich vorgelesen habe. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass bei diesem Programm Elemente zueinanderfinden, die lange genug für sich alleine stehen mussten. Jetzt haben sie endlich ein gemeinsames Forum. Und das fühlt sich stimmig und rund an.

Deshalb freue ich mich auf die kommenden Auftritte in Lemgo und Worpswede!

Am 30. November spielen wir in der Auferstehungskirche Lüerdissen. Um 19.30h ist Einlass, um 20h geht es los. Der Eintritt ist frei, aber um eine Spende wird gebeten. Anschließend gibt es eine Aftershow-Party mit DJ Dodo und VJ Nichtdesign. Alle Ostwestfalen: Es wäre schön, euch da zu sehen!

Und am 1. Dezember geht es in der Bötjer’schen Scheune in Worpswede weiter. Um 18h gibt es dort einen Hossa Talk live (Jay wird extra und wortwörtlich eingeflogen), bevor es dann um 20h weitergeht mit der Konzertlesung zusammen mit Rhadio.

Alle Nordlichter, die entweder Hossa Talk oder meine Musik oder meine Texte mögen: Lasst euch dieses Powerpack nicht entgehen! Das wird ganz sicher ein schöner, langer Abend.

Zum Ausklang werde ich am Sonntag, den 2. Dezember in Bremen lesen, und zwar um 16.30h in der Villa Kunterbunt in Bremen Findorff.

Das sind doch sehr schön viele Möglichkeiten, sich zu begegnen, oder? Wäre toll, wenn es hinhaut.

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Es geht endlich wieder auf Tour!

Zwei Monate, nachdem ich vom Fahrrad gefallen bin und mich doch ziemlich schwer am Fuß verletzt habe, bin ich wieder in der Lage, aufzutreten.

In zweierlei Hinsicht: Einmal ganz konkret physisch. Es tut zwar manchmal noch weh, aber der Fuß ist genug verheilt, um, mal an Krücken, mal ganz ohne, zu gehen und stehen.

Und dann auch künstlerisch. Ich habe zu meinem Bedauern in den letzten Wochen einige Lesungen absagen müssen, weil ich nicht reisen konnte. Aber am kommenden Wochenende muss ich eh nicht selbst fahren, sondern kann mich fahren lassen. Wir sind nämlich zu fünft unterwegs: Gofi Müller & Rhadio treten endlich wieder live auf!

Das wird zuerst in Wuppertal der Fall sein. Der dort ansässige Verein Netzwerk-Begegnung setzt sich für die Begegnung von Menschen mit und ohne Behinderung ein und hat uns zu einer Konzertlesung eingeladen. Ich bin ausdrücklich gebeten worden, nicht nur unsere Songs zu spielen, sondern auch Timmy-und-Jimmy-Geschichten vorzulesen, die, wie ihr vielleicht wisst, von zwei kleinen autistischen Jungs handeln. Um 18.30h geht es los, und zwar im Bürgerbahnhof Vohwinkel.

Dann geht es weiter nach Siegen, wo uns der Frei:Raum eingeladen hat. Spielen werden wir am Samstag in der FeG Fischbacherberg um 19.30h (und nicht, wie es ursprünglich geplant gewesen ist, in den Räumen von Frei:Raum in der Löhrstraße!).

Es würde ich sehr freuen, einige von euch dort zu sehen!

Das soll zunächst mal alles sein. Wenn etwas Neues passiert, melde ich mich wieder.

Alles Gute!

Euer Gofi

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Foto-Story: Juni in Israel

Im Juni haben mein Freund und Brother in Crime Jay Friedrichs und ich eine Reise nach Israel gemacht (das obige Bild ist von ihm). Nicht alleine natürlich, sondern zusammen mit HörerInnen unseres Podcastes Hossa Talk, der sich zunehmender Beliebtheit erfreut.

Es ist schon unsere zweite Israel-HörerInnen-Reise gewesen. Und diesmal habe ich mir vorgenommen, (mindestens) eine Foto-Kamera mitzunehmen und Bilder zu machen.

Schon Monate im Voraus habe ich über das Konzept nachgedacht, dem ich folgen wollte. Dass nur analoge Kameras in Frage kommen würden, war mir schnell klar. Das analog geschossene Bild hat eine andere, nicht ganz so cleane Anmutung, wie das digitale Bild. Und genau das war mir wichtig: dass die Bilder kantig sein sollten, dass sie an eine gewisse Materialität der Fotografie erinnern sollten, die der digitalen leider abhandengekommen ist.

Ich beschloss, es mir schwer zu machen: Ich wählte meine Mamiya 645, eine Mittelformat-Kamera, die gegen Ende der achtziger Jahre gebaut worden ist. Sie ist groß und wiegt knapp zwei Kilo. Dafür macht sie große Bilder: Die Negative sind ganze sechs mal viereinhalb Zentimeter groß (daher der Name), was eine ganze Menge ist. Wenn man richtig fokussiert, sind die Bilder wunderbar scharf.

Das zweite Erschwernis, das ich mir selbst auferlegte, war die Regel ‚one roll of film‘. Auf YouTube gibt es mehrere tolle Videos von Fotografen, die die Herausforderung angenommen haben, nur eine Filmrolle pro Tag zu verschießen. Bei einer 35-mm-Kamera ist das nicht allzu schwer, denn da hat die Rolle 36 Bilder. Bei einer Mittelformatkamera dagegen sind es weniger: bei meiner M645 z. B. ganze 15 Bilder. Wenn man sich auf nur diese kleine Anzahl beschränkt, muss man als Fotograf genau überlegen, welches Motiv man wählt und welches man lieber sausen lässt. Das analoge Fotografieren wird dadurch noch langsamer, als es ohnehin schon ist, und noch intensiver. Ich habe es nicht immer geschafft, die Regel durchzuhalten. Aber meistens schon.

Schließlich nahm ich mir vor, so zu fotografieren, wie ich es auch zu Hause tue: Ich wollte gerade nicht die landestypischen Besonderheiten zeigen, weil das nur wieder zu Bildern führen würde, von denen die Reiseführer und das Internet voll sind. Stattdessen suchte ich nach Motiven, die mich an und für sich ansprachen, z. B. weil sie lustig waren oder traurig, weil sie mich bewegten oder zum Nachdenken brachten, weil ich sie schlicht schön fand oder vielleicht auch abstoßend.

Dabei sind Bilder entstanden, die von der Spannung erzählen, die das Land kennzeichnet. Ob es die Spannung zwischen Wüste und fruchtbarem Boden ist oder die Spannungen zwischen den politischen Gegnern oder die Unvereinbarkeit der verschiedenen Weltanschauungen.

Zu jedem Bild könnte ich eine längere Geschichte erzählen. Aber das würde ein Buch füllen. Lieber lasse ich die Bilder selbst sprechen. Viel Spaß beim Anschauen!

 

Galiläa, der See Tiberias, Banyas, Golan

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Masada

 

Jerusalem

 

 

 

 

 

 

Westbank

 

 

 

 

 

 

Tel Aviv

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Letzte Folge des ‚Abenteuers‘: Süße Schmerzen

Als wir darüber beraten hatten, wie das Album klingen sollte, waren wir schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir die Songs live, also gemeinsam als ganze Band, einspielen wollten. Das ist nicht unbedingt üblich. Es wäre genauso gut möglich gewesen, dass jedes Instrument nacheinander seinen Part einspielt und ganz am Ende, nachdem alle anderen ihren Job erledigt haben, der Gesang hinzugefügt wird.

Das wäre leichter gewesen. Aber wir entschieden uns bewusst für den schwierigeren und traditionelleren Weg. Die gesamte Band versammelte sich im Aufnahmeraum, während ich bei Philip in der sogenannten Regie blieb und von dort aus sang. Eine dicke, schallundurchlässige Scheibe trennte uns voneinander, so dass wir uns nur über die Mikrofone verständigen konnten.

Und dann galt es. Jeder Song musste mehrfach aufgenommen werden. Machte einer einen Fehler, mussten wir das Ganze wiederholen. Und wenn wir es fehlerfrei hinbekamen, wiederholten wir es trotzdem. Denn es ging ja nicht nur um Fehlerlosigkeit, sondern vor allem auch um den Ausdruck. Und selbst wenn wir ihn gut getroffen hatten, konnte es sein, dass es uns beim nächsten Mal noch besser gelingen würde.

Zum Musikmachen braucht es nicht nur die Instrumente, sondern auch den Körper. Und der ist nach mehreren Stunden richtig müde. In meinem Fall waren das nicht nur die Stimmbänder. Die hielten ganz gut durch. Unsere tagelangen Proben in den Wochen und Monaten vor dem Studiotermin zahlten sich aus. Nein, mir zitterten irgendwann die Beine. Die Rumpfmuskulatur machte schlapp. Und am Ende eines Studiotages fühlte ich mich, als wäre ich mehrmals um den Delmenhorster Wall gejoggt.

Die anderen klagten über schmerzende Finger, verkrampfte Schultern und Blasen. Aber ›klagen‹ ist eigentlich das falsche Wort. Es beschwerte sich niemand. Im Gegenteil, wir genossen die gemeinsame Zeit.

Wenn eine Gruppe von fünf Männern unterschiedlichen Alters gemeinsam eine Herausforderung annimmt, ist das schon ein besonderes Erlebnis. Und es schweißt zusätzlich zusammen, wenn es sich dabei auch noch um eine künstlerische Herausforderung handelt. Die gemeinsame Arbeit an einem kreativen Projekt kann, wenn es gut läuft, Menschen ganz eng miteinander verbinden. Es braucht Verständnis für die Eigenarten des anderen. Es muss jedem gestattet sein, sich auf die Weise einzubringen, die ihn auszeichnet. Und es ist viel Nachsicht nötig für die Fehler des anderen, sowohl die charakterlichen als auch die situativen Fehler – gerade dann, wenn die Gruppe eigentlich am Ende ihrer Kräfte ist und einer im entscheidenden Moment nicht aufpasst.

Am Ende der fünf Tage im Studio waren wir mehr als eine Band, wir waren schon fast so etwas wie eine Bruderschaft. Und allein dieses Erlebnis ist die Mühe wert gewesen.

Ich hoffe sehr, dass euch die Musik gefällt! Anhören und kaufen könnt ihr sie zum Beispiel hier. Danke!

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Das Abenteuer … 6: Endlich im Studio!

Irgendwann war es so weit. Wir trafen uns alle im Studio. Jemandem, der noch nie miterlebt hat, wie ein Musikalbum entsteht, kommt das alles vielleicht mystisch vor. Ich weiß noch, wie ich als Jugendlicher unter meinen Kopfhörern verschwand, vollkommen in die Musik abtauchte und mir vorzustellen versuchte, was die Musiker, die ich wie Helden verehrte, wohl getan hatten, als sie diese Klänge hervorbrachten, wie sie dabei ausgesehen und wie sie sich gefühlt hatten.

Selbst wenn man sich Musik-Dokumentationen anschaut wie zum Beispiel ›Sound City‹, die Geschichte des berühmten Tonstudios in Los Angeles, in dem unter anderem Neil Young, Tom Petty oder auch Nirvana ihre Alben aufnahmen, bekommt man zwar einen konkreteren Eindruck davon, wie die Arbeit im Studio abläuft. Aber irgendwie mystisch bleibt es dennoch. Und der Eindruck verschwindet auch nicht sofort, wenn man die Studioräume betritt.

In meinem Roman ›TimTom Guerilla‹ habe ich versucht, diesen Moment festzuhalten. Vorbild für das Studio, in das die Musiker in der Erzählung hereinkommen, ist das ›KlangCorpus‹, in dem wir auch ›Ohne mich geht’s nicht‹ aufgenommen haben:

Schon mit dem ersten Schritt in den Raum hinein verändert sich die Akustik. Die Straße verstummt. Fast fühlt es sich an, als würde jemand eine Decke über meinen Kopf legen, bis mir auffällt, dass ich die Geräusche, die die anderen machen, wenn sie einen Schritt gehen, mit den Sohlen scharren oder sich räuspern, viel deutlicher wahrnehme als vorher. Sie stechen geradezu heraus aus der unglaublichen Stille, die uns mit einem Mal umgibt. Endlich spüre ich Vorfreude. Die trüben Gedanken sind wie weggeblasen. Aufgeregt und ehrfürchtig sehe ich mich um.

Mitten im Raum ist eine Art Arbeitsinsel aufgebaut, die von einer riesigen Konsole mit Hunderten von Reglern, Knöpfen und Schiebern dominiert wird. Links davon befindet sich ein Pult, auf dem ein Computer von Apple steht, zu dem wiederum eine merkwürdige mehrfarbige Tastatur gehört. Drumherum sind weitere elektronische Geräte turmartig aufgebaut, deren Dioden leuchten und blinken. Und gleich links an der Wand stehen zwei schwere Bandmaschinen. Außerdem gibt es eine Vielzahl an Instrumenten: ein Klavier, diverse Keyboards, Gitarren, Percussion-Instrumente und so weiter. Der Raum hat eine angenehme, warme Atmosphäre. Fast die gesamte Fläche der Wände und der Decke ist mit hellem Stoff verkleidet. Ein großer Teppich liegt auf dem Holzfußboden. Auf der gegenüberliegenden Seite lassen doppelverglaste kleine Fenster schummriges Tageslicht herein. Und an der Kopfseite, da, wohin man vom Arbeitsplatz aus blickt, ist eine große Fensterscheibe, durch die man in einen weiteren, etwas kleineren Raum sehen kann. Als ich näher trete und hindurchschaue, erkenne ich ein großes Schlagzeug, das dort aufgebaut steht und von Mikrophonen umgeben ist.

Wir vier sagen nichts, während wir langsam herumgehen, alles genau betrachten und darauf achten, nichts zu berühren. Als ich zu Paulo blicke, sehe ich, dass er noch immer am Eingang steht und uns lächelnd beobachtet, wie ein wohlwollender Vater, der am Heiligen Abend seine Kinder endlich zur Bescherung ins Wohnzimmer gelassen hat.

Das KlangCorpus in Delmenhorst gehört Philip Müller. Als Manu und ich darüber nachdachten, wo wir das Album aufnehmen würden, habe ich mich dafür stark gemacht, es dort zu machen. Phil und ich haben hier hin und wieder an gemeinsamen Projekten gearbeitet, und ich liebe die Wärme und Ruhe, die diese Räume ausstrahlen. Für mich ist das ein Ort, an dem man die Welt draußen lassen und sich ganz auf die künstlerische Arbeit konzentrieren kann. Außerdem schätze ich Philips Verständnis von Sound. Ich weiß nicht genau, wie er es macht, aber er entwickelt in den Vorgesprächen eine glasklare Vorstellung davon, wie die Instrumente in seinen Räumen klingen sollen und wie er diesen Klang erreicht. Genau diese Fähigkeit wollte ich haben.

Und so fanden wir fünf von Rhadio uns im Januar 2018 in Delmenhorst ein. Die entscheidende Etappe lag vor uns.

(Fortsetzung folgt)

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Das Abenteuer … 5: Die Kunst der Interpretation

Es kann leicht sein, ein Lied zu spielen: Man setzt zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Akkorde und Noten und betont an der passenden Stelle. Es gut zu interpretieren, ist dagegen ganz schön schwer. Vielleicht entscheidet sich hier, ob aus musikalischem Handwerk Kunst wird und ob man es mit guter oder schlechter Musik zu tun hat.

Für Manu, Winnie, Björn und David kann ich nicht sprechen, ich weiß einfach zu wenig über ihre Instrumente und die jeweiligen Herausforderungen, denen sie sich gegenüber sehen. Ich kann nur sagen, dass ich als Sänger bei jeder Probe nach der passenden Interpretation suchte und fast nie zufrieden war. Manchmal war ich es auch doch – bis ich die Probeaufnahmen hörte und wusste, dass es so auch nicht ging.

Vielleicht wäre ich eher ans Ziel gekommen, wenn ich von Anfang gewusst hätte, was mein eigentliches Problem war. Die Schwierigkeit bestand nicht darin, die richtigen Töne zu treffen oder den Text richtig zu betonen. Das klappte zwar nicht immer, fiel aber schnell auf und ließ sich ändern. Nein, mein größtes Problem bestand darin, ich selbst zu sein.

Ich musste lernen, authentisch zu singen, selbst wenn der Song eine Geschichte erzählte, für die ich eine Rolle zu spielen hatte. Dazu gehört Mut. Man muss sich trauen, Gefühle zu zeigen, die man eigentlich lieber verbergen oder so stark übertreiben möchte, dass niemand auf die Idee kommt, dass es wirklich die eigenen sind. Man muss manchmal hässlich und klein wirken, auch wenn man gerne beeindruckend und schön wäre. Und natürlich muss man sich zu sich selbst bekennen, und nicht versuchen, sich so zu geben, wie man gerne wäre. Das fiel mir nicht nur schwer, sondern es fiel mir anfangs auch gar nicht auf, dass hier mein Problem lag. Ich brauchte Hilfe, um das zu kapieren.

Weil wir für unser Crowdfunding Werbung machen mussten, veröffentlichten wir Mitschnitte von den Proben im Internet. Das war mir wahnsinnig unangenehm, weil ich mit den Ergebnissen noch überhaupt nicht zufrieden war. Aber immerhin führte das zu einem Telefonat, das mir weiter half.

Meine Schwester ist auch Sängerin. Sie hatte sich die Aufnahmen angehört und mir per WhatsApp ein paar Ratschläge gegeben. Ich wusste, wie recht sie hatte, wollte ihr aber auch erklären, worin meine Schwierigkeiten bestanden, und rief sie an. Und das war gut, denn das führte zur entscheidenden Erkenntnis: Trau dich, du selbst zu sein. Nimm das ernst, was du in deinen knapp fünfzig Jahren erlebt und gelernt hast, drück das Kreuz durch, und sei du selbst.

Leichter gesagt als getan. Aber einen besseren Rat für eine stimmige Interpretation gibt es nicht.
(Fortsetzung folgt)

 

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Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht (4)

Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ – als Fortsetzungsgeschichte. Wie kam es überhaupt dazu, dass wir dieses Album aufgenommen haben? In den nächsten Tagen erscheinen die nächsten Folgen der Story. Und natürlich dürft ihr auch die Musik hören.

FOLGE 4: WAS PASSIERTE, ALS MANU UND RHADIO ÜBERNAHMEN

Es ist 16 Jahre her, dass ich Manuel Steinhoff kennengelernt habe. Damals war er Bassist und antreibendes Mitglied der Marburger Band ›on a mission‹. Sie spielten intelligenten und im Lauf der Jahre immer anspruchsvolleren Pop-Rock und hatten sich eine Fan-Gemeinde erarbeitet, die im ganzen deutschsprachigen Raum zu finden war.

Die Band war auf der Suche nach einer Art Coach oder Mentor, der sie in Lebensfragen rund um die Musik und die persönliche Zukunft beraten sollte. Sie fragten mich, und ich sagte zu. Auf diese Weise wurden wir Freunde und haben uns gegenseitig durch unsere persönlichen ups and downs begleitet.

Manu erklärte sich 2013 bereit, mein erstes Musikalbum zu produzieren. Ich machte einen völlig unzureichenden Finanzierungsvorschlag, ein naives und dämliches Angebot, das er ohne zu zögern annahm. Möglicherweise ist das eine Schwäche, die wir teilen, dass unsere Begeisterung für das nächste Projekt uns manchmal stärker leitet als der gesunde Menschenverstand. Heraus kam das Album ›Neue Helden‹.

Was ich an ihm mag, ist die unfassbare Energie, die er ausstrahlt, sowie es an die Arbeit geht. Wenn man diese Energie sichtbar machen könnte, würde er im Dunkeln leuchten.

Als ich ihm die neuen Songs vorstellte, die ich für ›Ohne mich geht’s nicht‹ geschrieben hatte, waren es lediglich Midi-Dateien auf meinem iPad: ein paar Akkorde, ein paar Basslinien, ein wenig programmierte Drums. Melodien und Texte sang ich ihm dazu vor.

Er hörte sie sich eine Weile konzentriert an und sagte: »Ja, okay, ich weiß, wie wir‹s machen. Welche Akkorde benutzt du da? Aha, nee, ich würde die Tonart wechseln. Ich spiel dir mal was vor: So, ungefähr.«

Ab jetzt lag das Projekt in seinen Händen. Und da war es gut aufgehoben.

Als erstes überarbeitete er die Harmonien der Kompositionen und legte die Soundphilosophie fest. Der Sound ist das A und O. Natürlich besteht ein Lied aus Worten, Tönen und Akkorden. Aber der Sound ist die Art und Weise, wie man sein Lied den HörerInnen vorstellen möchte. Er bestimmt maßgeblich die Interpretation des Stücks. Er gibt vor, zu welchen Mitteln die Musiker greifen und welche sie lieber bleiben lassen. Und er stellt die Einheit her zwischen all den unterschiedlichen Wegen, die die einzelnen Lieder gehen, er vermittelt zwischen ihnen und hält sie in einer sinnvollen Spannung zusammen. Deshalb muss man ihn bewusst wählen, man muss ihn anhand der gegebenen Umstände und Möglichkeiten setzen.

Manu fand, dass die Kompositionen einen ganz bestimmten Klang vorgaben. Er dachte dabei an den Motown-Sound der sechziger und siebziger Jahre, also an Künstler wie Curtis Mayfield, Marvin Gaye oder Rodriguez. Natürlich würden wir sie nicht imitieren. Aber wir würden sie uns als Vorbilder nehmen, zum Beispiel in der Art wie sie das Tamborin einsetzten, wie die Gitarren die Rhythmik akzentuierten, dabei dem Bass Platz für ein raumgreifenderes Spiel machten und so weiter. Unter Manus Leitung würde die Band einen Weg finden, um das hinzubekommen.

Als wir uns das erste Mal im Proberaum trafen, mussten die anderen die Lieder erst einmal kennen lernen. Aber dann übernahm Rhadio mehr und mehr das Geschehen.

Es ist eine merkwürdige Erfahrung, wenn etwas, das als eine Idee in deinem Kopf begonnen hat, plötzlich real wird, vor allem dann, wenn dafür die Mithilfe anderer nötig ist. Sowie wir die Songs zu spielen begannen, empfand ich sie nicht mehr als ›meine‹ Songs. Ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt, auch wenn Melodie und Text immer noch dieselben waren. Die Band nahm meine ursprünglichen Ideen auf, interpretierte sie auf ihre ganz eigene Art, und herauskam etwas Neues und sehr viel Schöneres.
(Fortsetzung folgt)

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Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ (3)

Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ – als Fortsetzungsgeschichte. Wie kam es überhaupt dazu, dass wir dieses Album aufgenommen haben? In den nächsten Tagen erscheinen die nächsten Folgen der Story. Und natürlich dürft ihr auch die Musik hören.

SO ENTSTANDEN DIE SONGS

Das Liederschreiben ist keine Hexerei. Das wirkt nur so. Lieder können ein Lebensgefühl beschreiben, sie können uns zum Lachen oder Weinen bringen oder ein Ventil für unsere Wut sein. Da liegt der Gedanke nahe, dass die, die diese Lieder schreiben, über eine besondere Fähigkeit verfügen, die andere nicht haben.

Aber ich glaube nicht, dass das so ist. Meiner Meinung nach ist das Schreiben eines Liedes eine ziemlich prosaische Angelegenheit. In den allermeisten Fällen kommt es mir so vor, als würde ich etwas zusammenbauen, eine Konstruktion, die manchmal kompliziert, manchmal aber auch sehr einfach sein kann. Wozu der Song in der Lage ist, merke ich erst, wenn er fertig ist. Bis dahin muss ich meiner Intuition vertrauen.

Auf meinem Smartphone habe ich eine App, mit der meine Stimme aufnehmen kann. Wenn ich eine Idee für eine Melodie oder ein Motiv habe, pfeife oder summe ich sie darauf. Denn ich weiß, dass ich sie schon bald wieder vergessen haben werde. Ob es sich um eine gute oder schlechte Idee handelt, weiß ich in dem Moment nicht. Das ist auch nicht wichtig, ich werde das später entscheiden. Das einzige, das jetzt zählt, ist, dass ich sie nicht wieder verliere.

Als ich mich an das Schreiben der Songs machte, die auf ›Ohne mich geht‹s nicht‹ zu hören sein sollten, tat ich tagelang nichts anderes, als mich durch meine Audioskizzen zu hören und zu entscheiden, ob die Ideen für mich brauchbar waren oder nicht. Viele verwarf ich sofort. Andere schienen mir vielversprechender zu sein, so dass ich sie mir merkte. Und bei einigen klickte es einfach. Ich fing spontan an, nach Worten zu suchen, die zu den Tönen passen würden.

Ich gehe auch hier ganz intuitiv vor. Es ist ein bisschen so, als würde man mit einem Stock in einem Teich rühren. Die Worte treiben wie Luftblasen an die Oberfläche. Ob ich sie wähle oder nicht, mache ich davon abhängig, ob sie sich ›gut anfühlen‹ oder nicht. In Wirklichkeit geht es nicht um ein Gefühl. Es geht zunächst um den Klang und die Rhythmik in Verbindung mit der Melodie. Und dann geht es um Themen, die mich in letzter Zeit intensiver beschäftigt haben.

Die Intuition hat weder mit dem Bauch noch mit dem Gefühl etwas zu tun, sondern sie ist Teil unseres Bewusstseins. Das, was hier schlummert, mag uns in den letzten Tagen oder Wochen nicht besonders vor Augen gestanden haben. Aber wir haben trotzdem darüber nachgedacht, es mit uns herumgetragen, vielleicht sogar davon geträumt.

Beim Schreiben lasse ich diese Dinge aufsteigen. Ich beschränke mich bewusst nicht, versuche mich nicht auf irgendwelche Aussagen festzulegen, sondern notiere, was mir in den Sinn kommt (mit Kugelschreiber, in ein Notizbuch aus Karton und Papier, weil es gut tut, die ganze Hand zu benutzen und nicht nur die Finger zu bewegen). Dabei sitze ich nicht an einem Tisch, sondern laufe im Haus herum, räume auf, spüle ab, lege Wäsche zusammen oder wische Staub. Ich könnte auch Schrauben und Muttern sortieren oder eine Werkstatt aufräumen. Entscheidend an diesen Tätigkeiten ist nur, dass sie langweilig sind, dass sie mich geistig nicht in Beschlag nehmen und dass sie mir das Gefühl geben, etwas Sinnvolles zu tun. Es ist ein Trick, mit dem ich meinen inneren Preußen überliste, denn für den ist künstlerische Arbeit nutzlose Liebhaberei, und er will mich ständig zu ›nützlicher‹ Arbeit antreiben.

Wovon der Text handelt, erkenne ich oft erst, während ich ihn aufschreibe: ob mich die Dokumentation über einen erfolgsverrückten, englischen Fußballtrainer aus den Sechzigern inspiriert (›Auch nicht alles‹) oder die Tatsache, dass ich mich selbst als zu dick empfinde, gleichzeitig aber über die top-fitten Rentner in meiner Siedlung staune (›Hey, Hey, schöne Frau‹), ob ich die Jahre unmittelbar nach meinem Berufsaustieg reflektiere (›Ohne mich geht‹s nicht‹) oder mich darüber ärgere, dass ich manche Dinge in meinem Leben nicht wenigstens versucht habe, weil ich mir vorschnell eingeredet habe, dass sie sowieso nicht funktionieren würden (›Irgendwas ist immer‹). Im Augenblick der Niederschrift taucht das Thema auf. Und dann verändert es sich auch schon wieder. Denn es geht mir nicht darum, die Wirklichkeit zu dokumentieren. Viel wichtiger finde ich es, eine Geschichte zu erzählen, eine Geschichte, nicht wie sie gewesen ist, sondern wie sie hätte sein können.

Erst an diesem Punkt denke ich über die Harmonien des Liedes nach. Ich hätte es vielleicht schon eher getan, wenn ich mehr darüber wüsste. Aber das einzige musikalische Fachwissen, das ich habe, sind ein paar rudimentäre Kenntnisse aus der Schulzeit. Deshalb suche ich mir Hilfe: Zuerst bei einer Software von Apple. Und dann bei Manu.
(Fortsetzung folgt)

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Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ (2)

Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ – als Fortsetzungsgeschichte. Wie kam es überhaupt dazu, dass wir dieses Album aufgenommen haben? In den nächsten Tagen erscheinen die nächsten Folgen der Story. Und natürlich dürft ihr auch die Musk hören.

EIN GEWAGTER PLAN

Wer mich nicht kennt, weiß vielleicht nicht, dass meine familiären Verhältnisse ein bisschen kompliziert sind. Zwei unserer vierköpfigen Familie haben einen Behindertenausweis. Und die anderen beiden sind auch nicht ganz dicht. Bei uns kann es jederzeit vorkommen, dass die eben noch heile Welt aus den Fugen gerät. Wir haben uns zwar inzwischen eine recht stabile Schieflage erarbeitet, aber wir können trotzdem nie ganz sicher sein, dass wir nicht demnächst wieder abkippen.
Im Dezember 2016, an dem Tag, für den Winnie freundlicherweise unser Treffen arrangiert hatte, war es mal wieder so weit. Uns wurde alles zu viel. Ich sagte ab. Und die Vorstellung, mich erneut auf das Abenteuer des Musikmachens einzulassen, schien eine dämliche Idee gewesen zu sein. Doch die dunklen Wolken verzogen sich wieder. Unsere Nerven beruhigten sich. Und noch etwas anderes passierte. Manu konnte Hilfe gebrauchen.

Was man als Künstler tut oder lässt, ist ja nicht nur eine Frage des Wollens und Könnens, sondern auch der Umstände. Es ist – leider – deshalb immer wieder auch eine wirtschaftliche Frage. Und es gibt viel zu viele Künstler, die trotz all der Qualität, die sie regelmäßig abliefern, ums Überleben kämpfen müssen. Mein Freund Manu ist dafür ein gutes Beispiel. Er ist ein hervorragender Bassist, Produzent und Musiker. Trotzdem wird es wohl noch lange dauern, bis er seine Schäfchen im Trockenen hat.

Als wir wieder einmal zusammen saßen und uns um ausbleibende Aufträge bzw. Zahlungen sorgten und darüber nachdachten, dass der Januar grundsätzlich ein schwieriger Monat sei, weil die Projekte des vorigen Jahres abgeschlossen und die Aufträge des neuen Jahres noch nicht eingegangen sind, fasste ich einen Entschluss: Wir würden im laufenden Jahr ein Projekt starten, das ihm im Januar des folgenden Jahres ein Einkommen bescheren würde. Gleichzeitig würden wir all denen eine Freude machen, die schon seit längerem auf neue Musik von mir warteten.

Was wir dafür benötigten, war klar: eine Band, neue Songs und ein Produktionsbudget von mindestens 10.000 €.
Ich gebe zu: Der Ausblick, eine derartig große Summe beschaffen zu müssen, war ein Stimmungsdämpfer. Natürlich gab es nur einen Weg, um an so viel Geld zu gelangen. Wir mussten ein Crowdfunding starten. Alles würde davon abhängen, dass sich genügend Leute fanden, die unsere Musik wirklich hören wollten. Und wer konnte schon wissen, ob das der Fall war?
Die anderen beiden Punkte des Plans waren leicht. Schnell war die Band zusammengetrommelt. Selbstverständlich war Winnie mit von der Partie. Als nächstes stieß Björn dazu, der ›Neue Helden‹ mochte und Lust auf ein Abenteuer mit uns hatte. Und schließlich stieg David ein, mein junger Nachbar, der ein hervorragender Gitarrist ist, nur eine Straße weiter wohnt und den ich trotzdem noch nie zuvor gesehen hatte. Der Kontakt kam über Manu zustande. Es gab nun eine Band. Aber noch keine Songs.

Ich musste mich also an die Arbeit machen.

(Fortsetzung folgt)

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Das Abenteuer von ‚Ohne mich geht’s nicht‘ (1)

Es ging los mit Winnie.
Der hatte mir nämlich eine E-Mail geschrieben mit der Frage, ob wir die Songs meines Albums ›Neue Helden‹ live spielen wollten. Ich hatte damals nicht reagiert. Natürlich fand ich es toll, dass ihm die Lieder gefielen. Aber ich dachte auch an den Aufwand, den das bedeuten würde: Die Probetermine. Und die Wochenenden, an denen man viel fahren, schlecht schlafen und nichts verdienen würde. Zu diesem Zeitpunkt versuchte ich gerade, meine Karriere als Schriftsteller in Gang zu bringen und hielt die Musik für reine Zeitverschwendung, für eine Ablenkung vom Eigentlichen.
Aber Winnie gab nicht auf. Er nahm einen Beitrag auf facebook, in dem sich jemand enthusiastisch über meine Musik äußerte, zum Anlass, um noch einmal nachzuhaken. »Na, sieh mal an«, schrieb er, »da freuen sich noch so einige über deine Songs!! Ich hatte dich ja (…) gefragt, ob man das nicht mal wieder auf die Bühne bringen könnte (…) Ob Manu auch Lust hätte auf eine kleine Tour oder einige Wochenend-Gigs?!«
Diesmal reagierte ich. Ich hatte ohnehin ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn das letzte Mal hatte hängen lassen. Außerdem fehlte mir etwas. Die Schriftstellerei war nicht so erfolgreich gelaufen, wie ich es erhofft hatte, und ich vermisste das Musikmachen. Ich hatte versucht, angesichts meiner Lebensumstände und Erfolgsaussichten eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Aber das hatte irgendwie nicht hingehauen. Also warum sollte ich nicht einfach auf alles pfeifen und wieder mit der Musik anfangen?
Ich bat Winnie, ein Treffen mit Manu und mir zu organisieren. Das tat er gerne.
Und ich ließ es platzen. (…)

(Fortsetzung folgt)

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