(Im Gedenken an unsere Freundin Ellen.)
Es hat Zeiten gegeben, da habe ich, wenn ich alleine gewesen bin, mich auf die Erde gesetzt und geheult. Dann war das Leben so dunkel und der Schmerz so groß, dass es kaum noch auszuhalten war. Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei. Aber natürlich ist es möglich, dass sie jederzeit wiederkehren.
Wir alle geben unser Bestes, dem Leid so gut es geht zu entwischen. Aber gleichzeitig wissen wir, dass es zum Leben dazugehört, so wie der Tod auch. Und sollte es das einzige Mal sein, dass wir leiden, wenn wir Abschied von geliebten Menschen nehmen – früher oder später hat es uns, das Leid. Es wäre also vielleicht leichter, sich von vorneherein mit dem Gedanken anzufreunden, als ihn zu verdrängen: Es gib kein Leben ohne Leid.
In den dunkelsten Momenten haben Freunde uns gefragt, wie sie uns helfen können. Wir haben dann mit den Schultern gezuckt und gesagt, dass schon ihre Frage eine Hilfe sei, weil sie ihre Anteilnahme zeige. Aber darüber hinaus konnten sie eigentlich nichts weiter tun, als unsere Freunde zu bleiben.
Trotzdem waren wir dem Leid nicht hilflos ausgeliefert. Es gab Dinge, die andere zwar nicht für uns tun, die wir aber selbst in Angriff nehmen konnten, wenn wir uns dazu entschlossen: Wir konnten noch immer leben, lachen und genießen, wenn auch manchmal mehr schlecht als recht.
Das klingt banal. Vor allem wenn man ein Mensch ist, der sich großen Prinzipien oder Glaubensgrundsätzen verpflichtet fühlt. Dann tendiert man dazu, die vermeintlich kleinen Dinge des Lebens wie ein gutes Essen oder einen schönen Film oder ein spannendes Buch für nebensächlich zu halten. Man glaubt, dass diese Dinge ihren Platz da im Leben haben, wo man sich bereits zur Genüge mit den großen Dingen beschäftigt hat. Ich kenne das von mir selbst auch. Wenn ich einen Roman von zum Beispiel DonWinslow in die Hand nehme, frage ich mich unwillkürlich, ob ich mir diesen Luxus des Müßigganges schon verdient habe oder ob es nicht doch besser wäre, vorher ein Sachbuch zu lesen, um mich weiterzubilden.
Dies skrupulöse Denken kann man sich vielleicht erlauben, wenn es einem gut geht. In Leidenszeiten ist das allerdings eine völlig verkehrte Schwerpunktsetzung. Wer leidet oder andere schwere Zeiten durchlebt, sollte, nein, muss es sich leisten, Schönes zu genießen.
Schönes ist eben nicht nur Deko. Schönes ist der Sauerstoff der Seele. Genauso wie man hin und wieder vom Schreibtisch aufstehen muss, um sich an der frischen Luft zu bewegen, nicht weil man es will, sondern weil man weiß, dass es das Richtige ist, weil es Körper und Seele gut tut, genauso sollte man sich hin und wieder etwas Schönes gönnen.
Es ist kein Zufall, dass künstlerisches Arbeiten eingesetzt wird, um Menschen mit Depressionen zu helfen. Noch heilsamer als Schönes zu genießen, ist es, selbst Schönes zu produzieren. Und dann zu erleben, wie auch andere sich über das Schöne, das man hergestellt hat, freuen.
Freunde von mir sind bewusst an einen jener Orte Mecklenburgs gezogen, um die man normalerweise einen Bogen macht. Sie leben dort unter dem Motto ‚Mach was Schönes‘. Dieser simple Leitspruch entfaltet unter den gegeben Umständen eine großartige Dynamik. Er ist so einfach, wie kraftvoll. Und deshalb werde ich ihn mir klauen. Manchmal gibt es einfach nichts Besseres, was man sich selbst sagen könnte, als:
Mach was Schönes.
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