Es kann leicht sein, ein Lied zu spielen: Man setzt zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Akkorde und Noten und betont an der passenden Stelle. Es gut zu interpretieren, ist dagegen ganz schön schwer. Vielleicht entscheidet sich hier, ob aus musikalischem Handwerk Kunst wird und ob man es mit guter oder schlechter Musik zu tun hat.
Für Manu, Winnie, Björn und David kann ich nicht sprechen, ich weiß einfach zu wenig über ihre Instrumente und die jeweiligen Herausforderungen, denen sie sich gegenüber sehen. Ich kann nur sagen, dass ich als Sänger bei jeder Probe nach der passenden Interpretation suchte und fast nie zufrieden war. Manchmal war ich es auch doch – bis ich die Probeaufnahmen hörte und wusste, dass es so auch nicht ging.
Vielleicht wäre ich eher ans Ziel gekommen, wenn ich von Anfang gewusst hätte, was mein eigentliches Problem war. Die Schwierigkeit bestand nicht darin, die richtigen Töne zu treffen oder den Text richtig zu betonen. Das klappte zwar nicht immer, fiel aber schnell auf und ließ sich ändern. Nein, mein größtes Problem bestand darin, ich selbst zu sein.
Ich musste lernen, authentisch zu singen, selbst wenn der Song eine Geschichte erzählte, für die ich eine Rolle zu spielen hatte. Dazu gehört Mut. Man muss sich trauen, Gefühle zu zeigen, die man eigentlich lieber verbergen oder so stark übertreiben möchte, dass niemand auf die Idee kommt, dass es wirklich die eigenen sind. Man muss manchmal hässlich und klein wirken, auch wenn man gerne beeindruckend und schön wäre. Und natürlich muss man sich zu sich selbst bekennen, und nicht versuchen, sich so zu geben, wie man gerne wäre. Das fiel mir nicht nur schwer, sondern es fiel mir anfangs auch gar nicht auf, dass hier mein Problem lag. Ich brauchte Hilfe, um das zu kapieren.
Weil wir für unser Crowdfunding Werbung machen mussten, veröffentlichten wir Mitschnitte von den Proben im Internet. Das war mir wahnsinnig unangenehm, weil ich mit den Ergebnissen noch überhaupt nicht zufrieden war. Aber immerhin führte das zu einem Telefonat, das mir weiter half.
Meine Schwester ist auch Sängerin. Sie hatte sich die Aufnahmen angehört und mir per WhatsApp ein paar Ratschläge gegeben. Ich wusste, wie recht sie hatte, wollte ihr aber auch erklären, worin meine Schwierigkeiten bestanden, und rief sie an. Und das war gut, denn das führte zur entscheidenden Erkenntnis: Trau dich, du selbst zu sein. Nimm das ernst, was du in deinen knapp fünfzig Jahren erlebt und gelernt hast, drück das Kreuz durch, und sei du selbst.
Leichter gesagt als getan. Aber einen besseren Rat für eine stimmige Interpretation gibt es nicht.
(Fortsetzung folgt)