Stell dir vor, deine Straße wird grün. Stein und Asphalt verschwinden unter einer Rasenfläche. Stell dir vor, du könntest an einem heißem Tag, während du nach Hause gehst, die Schuhe ausziehen und kühles Gras unter deinen Füßen spüren. Und stell dir vor, dass die Wände der Häuser keine Hitze reflektieren, weil an ihnen Pflanzen wachsen, die Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben.
Wir haben am letzten Sonntag so etwas Ähnliches in Marburg gemacht. Wobei ‚wir‘ nicht so richtig stimmt. Ich durfte bei einer Sache mitmachen, die sich drei arrivierte Künstler*innen aus Marburg ausgedacht haben und zu der sie knapp 20 weitere Künstlerinnen und Künstler eingeladen haben, daran teilzunehmen.
Ich bemühe mich erst seit etwa ein bis zwei Jahren um Anschluss an die lokale Szene, weil ich zu sehr mit überregionalen Projekten wie zum Beispiel Hossa Talk beschäftigt gewesen bin. Dass Ursula Eske, Waltraud Mechsner-Spangenberg und Edgar Ziese mich gefragt haben, ob ich bei ihrem Projekt dabeisein möchte, war für mich eine großartige Gelegenheit, Marburger Protagonist*innen kennenzulernen, eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.
Von ihrem Plan, die gesamte Gasse Zwischenhausen, in der sich Ursulas Atelier ‚Zwischen den Häusern‘ befindet, mit Rollrasen auszulegen, war ich erst einmal gar nicht so beeindruckt. Ich fand die Idee nett, hielt sie für einen hübschen Einfall mit großem Aufwand, dessen künstlerischen Wert ich nicht erkennen konnte. Ich glaubte, es würde dann vor allem auf die Kunstwerke ankommen, die sich auf dem Rasen abspielen würden.
Deshalb war ich total erstaunt, als ich die unmittelbare Wirkung der begrünten Straße auf mich und alle anderen erlebte. Man wurde sofort ruhiger und entspannte sich. Die Farbe, die Weichheit unter den Füßen, die leichte Kühle, die man von unten spürte, das alles wirkte sich sofort auf Körper und Psyche aus. Diese Aktion hätte würde ohne Weiteres zu den Kunstwerken und -aktionen des chinesischen Künstler Ai WeiWei passen (, dessen Buch ich zufällig dabei hatte. Es ist sehr lesenswert, ich werde bei Gelegenheit eine kleine Rezension schreiben.)
Ich blieb von 13 bis 23.30h im begrünten Zwischenhausen, hatte eine Reihe wunderschöner Begegnungen und führte viele Gespräche. Ich blieb die meiste Zeit bei meiner Installation ‚Marburg 2432‘ stehen, die eine Art möglicher Zukunftsvision von Marburg entwirft, und bot den Leuten die Gelegenheit, mich anzusprechen, wenn sie gerne über die Bilder reden oder etwas fragen wollten.
Meine Zukunftsvision ist nicht sehr optimistisch, weil mir ehrlich gesagt der Optimismus angesichts der Weltlage manchmal flöten geht. Weil wir uns bereits Veränderungen gegenüber sehen, von denen es vor Jahren noch hieß, es gelte, sie aufzuhalten. Das hat nicht geklappt. Und der Wille, Schlimmeres zu verhindern, scheint weder in der Bevölkerung noch in der Politik stark ausgeprägt zu sein. Wenn es darum geht, den gewohnten Lebensstandard zu bewahren, bescheißt man sich anscheinend lieber selbst, als notwendige Änderungen vorzunehmen.
Das Experiment mit der Straßenbegrünung allerdings hat mir doch etwas Hoffnung gemacht. Vielleicht ist es ja möglich, dass man es sich in harscher gewordenen Lebensumständen erträglich einrichten kann. Es gibt schon lange Pläne, die Städte zu begrünen, um Hitze zu absorbieren und sie bewohnbar zu erhalten. Das wird bisher nicht getan, auch nicht in meiner tollen Stadt Marburg. Aber das wird sich sicher ändern. Das Umweltbundesamt hat gerade erst wieder darauf gedrungen. https://www.morgenpost.de/vermischtes/article235950153/Hitzewelle-Umweltbundesamt-dringt-auf-Umbau-der-Staedte.html Nach einigen Hitzesommern und recht vielen Hitzetoten wird es uns auffallen, dass wir ziemlich gute Ideen in der Schublade liegen haben.
Bin ich sarkastisch? Sorry, ich wollte mich eigentlich über eine rundum gelungene Aktion freuen, bei der ich mitmachen durfte. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Kunst so alles kann: Sie gibt wesentliche Anregungen, sie führt experimentell vor, sie öffnet Räume zu Begegnungen und Gesprächen, sie ermöglicht es Menschen, Mensch zu sein oder zumindest darüber nachzudenken, wie man es wieder werden könnte. Das ist viel. Das ist mir am letzten Sonntag klar geworden. Und dass ich mich mit meiner Kunst daran beteiligen darf und etliche von euch mich dabei unterstützen, freut mich sehr.
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Stell dir vor, deine Straße wird grün. Stein und Asphalt verschwinden unter einer Rasenfläche. Stell dir vor, du könntest an einem heißem Tag, während du nach Hause gehst, die Schuhe ausziehen und kühles Gras unter deinen Füßen spüren. Und stell dir vor, dass die Wände der Häuser keine Hitze reflektieren, weil an ihnen Pflanzen wachsen, die Feuchtigkeit speichern und wieder abgeben.
Wir haben am letzten Sonntag so etwas Ähnliches in Marburg gemacht. Wobei ‚wir‘ nicht so richtig stimmt. Ich durfte bei einer Sache mitmachen, die sich drei arrivierte Künstler*innen aus Marburg ausgedacht haben und zu der sie knapp 20 weitere Künstlerinnen und Künstler eingeladen haben, daran teilzunehmen.
Ich bemühe mich erst seit etwa ein bis zwei Jahren um Anschluss an die lokale Szene, weil ich zu sehr mit überregionalen Projekten wie zum Beispiel Hossa Talk beschäftigt gewesen bin. Dass Ursula Eske, Waltraud Mechsner-Spangenberg und Edgar Ziese mich gefragt haben, ob ich bei ihrem Projekt dabeisein möchte, war für mich eine großartige Gelegenheit, Marburger Protagonist*innen kennenzulernen, eine Chance, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.
Von ihrem Plan, die gesamte Gasse Zwischenhausen, in der sich Ursulas Atelier ‚Zwischen den Häusern‘ befindet, mit Rollrasen auszulegen, war ich erst einmal gar nicht so beeindruckt. Ich fand die Idee nett, hielt sie für einen hübschen Einfall mit großem Aufwand, dessen künstlerischen Wert ich nicht erkennen konnte. Ich glaubte, es würde dann vor allem auf die Kunstwerke ankommen, die sich auf dem Rasen abspielen würden.
Deshalb war ich total erstaunt, als ich die unmittelbare Wirkung der begrünten Straße auf mich und alle anderen erlebte. Man wurde sofort ruhiger und entspannte sich. Die Farbe, die Weichheit unter den Füßen, die leichte Kühle, die man von unten spürte, das alles wirkte sich sofort auf Körper und Psyche aus. Diese Aktion hätte würde ohne Weiteres zu den Kunstwerken und -aktionen des chinesischen Künstler Ai WeiWei passen (, dessen Buch ich zufällig dabei hatte. Es ist sehr lesenswert, ich werde bei Gelegenheit eine kleine Rezension schreiben.)
Ich blieb von 13 bis 23.30h im begrünten Zwischenhausen, hatte eine Reihe wunderschöner Begegnungen und führte viele Gespräche. Ich blieb die meiste Zeit bei meiner Installation ‚Marburg 2432‘ stehen, die eine Art möglicher Zukunftsvision von Marburg entwirft, und bot den Leuten die Gelegenheit, mich anzusprechen, wenn sie gerne über die Bilder reden oder etwas fragen wollten.
Meine Zukunftsvision ist nicht sehr optimistisch, weil mir ehrlich gesagt der Optimismus angesichts der Weltlage manchmal flöten geht. Weil wir uns bereits Veränderungen gegenüber sehen, von denen es vor Jahren noch hieß, es gelte, sie aufzuhalten. Das hat nicht geklappt. Und der Wille, Schlimmeres zu verhindern, scheint weder in der Bevölkerung noch in der Politik stark ausgeprägt zu sein. Wenn es darum geht, den gewohnten Lebensstandard zu bewahren, bescheißt man sich anscheinend lieber selbst, als notwendige Änderungen vorzunehmen.
Das Experiment mit der Straßenbegrünung allerdings hat mir doch etwas Hoffnung gemacht. Vielleicht ist es ja möglich, dass man es sich in harscher gewordenen Lebensumständen erträglich einrichten kann. Es gibt schon lange Pläne, die Städte zu begrünen, um Hitze zu absorbieren und sie bewohnbar zu erhalten. Das wird bisher nicht getan, auch nicht in meiner tollen Stadt Marburg. Aber das wird sich sicher ändern. Das Umweltbundesamt hat gerade erst wieder darauf gedrungen. Nach einigen Hitzesommern und recht vielen Hitzetoten wird es uns auffallen, dass wir ziemlich gute Ideen in der Schublade liegen haben.
Bin ich sarkastisch? Sorry, ich wollte mich eigentlich über eine rundum gelungene Aktion freuen, bei der ich mitmachen durfte. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was Kunst so alles kann: Sie gibt wesentliche Anregungen, sie führt experimentell vor, sie öffnet Räume zu Begegnungen und Gesprächen, sie ermöglicht es Menschen, Mensch zu sein oder zumindest darüber nachzudenken, wie man es wieder werden könnte. Das ist viel. Das ist mir am letzten Sonntag klar geworden. Und dass ich mich mit meiner Kunst daran beteiligen darf und etliche von euch mich dabei unterstützen, freut mich sehr.
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