Letzte Woche bin ich in Huchting gewesen mit dem festen Vorsatz, den Stadtteil zu fotografieren. Ich habe gewusst, dass das nicht leicht werden würde. Ich hatte es schon mal versucht und nicht hinbekommen.
Damals, im April des letzten Jahres, ging es darum, ein Motiv zu finden, das möglicherweise für das Cover des Buches ‚Huchting – Geschichten von der Straße‘ benutzt werden konnte. Drei Tage lang streifte ich kreuz und quer durch den Stadtteil, immer auf der Suche nach dem einen Motiv, das in der Lage wäre, Huchting zu repräsentieren. Mir wurde schnell klar, dass es dieses Motiv nicht gab. Huchting ist viel zu unterschiedlich, viel zu gegensätzlich, als dass ein einzelnes Bild die verschiedenen Lebenswirklichkeiten widergeben könnte.
Um mich an die verschiedenen Ecken erinnern zu können, machte ich viele Fotos mit dem iPhone. Schließlich ging es auch darum, mir die Straßenzüge einzuprägen, weil ich im Sommer die letzten Geschichten des Bandes schreiben und die bestehenden überarbeiten wollte. Die Bilder, die dabei entstanden, waren sachlich, irgendwie funktional. Aber sie atmeten natürlich nicht die Atmosphäre, die ich mit Huchting verbinde.
Jetzt, im Januar, ging es wieder nach Huchting. Diesmal mit dem festen Ziel, nicht ein Bild, sondern mehrere Bilder zu machen, die für Huchting stehen können. Mein Verlag Adeo veröffentlicht ein kostenloses, aber trotzdem hochwertiges Magazin, das die Neuerscheinungen vorstellt. In der nächsten Ausgabe erscheint auch ein Artikel von mir über das Buch und den Stadtteil. Und dafür werden Bilder benötigt.
Ich habe mir mehrere Wochen den Kopf darüber zerbrochen, welches bildästhetische Konzept ich verfolgen würde, um Bilder zu erhalten, die beides zeigen: sowohl die prosaische Realität als auch die – ich schreib es jetzt mal: proletarische Poesie, die beide Huchting ausmachen. Sie sollten nicht zu prosaisch und sachlich sein, weil sie dann nicht das Besondere an Huchting zeigen würden. Und sie durften nicht ’schön‘ werden, weil das der Wirklichkeit nicht gerecht werden würde.
Erst einige Tage, bevor es losgehen sollte, fasste ich meinen Entschluss. Ich würde es riskant spielen. Ich würde eine analoge Plastikkamera benutzen: kein Glasobjektiv; kein Autofokus; kein Bildstabilisator; kein eingebauter Blichtungsmesser; nur drei mögliche Blendeneinstellungen, von denen an dunklen Wintertagen ohnehin nur eine in Frage kommen würde; nur zwei Verschlusszeiten: Bulb (also so lange, wie man den Auslöser drückt) und 1/60 Sekunde; und natürlich Film, also ohne die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Bild etwas geworden ist, um es dann noch eimal zu versuchen.
Meine Frau überredete mich, als Back Up noch eine Digitalkamera mitzunehmen. Ich gab ihr Recht und kaufte deshalb für meine billige Canon eos 1200D einen Adapter, damit ich die Plastikobjektive auch mit dieser Kamera nutzen konnte. Das und mein Stativ gaben mir genügend Sicherheit, eines Morgens auf die Suche nach guten Motiven zu machen.
Das Wetter war noch schlechter als befürchtet. Den ganzen Tag über bedeckten dichte Wolken den Himmel. Es war so dunkel, dass die Filme, die ich mitgenommen hatte, nicht lichtempfindlich genug waren, um einfach nur den Auslöser betätigen zu können. Ich konnte die nötige Belichtungszeit zwar messen, aber nicht an der Kamera einstellen. Deshalb musste ich schätzen. Ich befestige die kleine Diana Plus auf dem Stativ, richtete sie aus und hielt den Auslöser so lange gedrückt, wie ich glaubte, dass es nötig wäre.
Zum Glück bin ich ein Hybridfotograf. Das bedeutet, dass ich sowohl analoge als auch digitale Technik benutze. Nachdem ich die Filme zu Hause entwickelt und zum Trocknen aufgehängt habe, scanne ich sie und bearbeite sie anschließend am Computer. Auf diese Weise konnte ich falsche Belichtungszeiten korrigieren. Und sie gefallen mir. Sie sind körnig, dreckig und schön. Ich bin der Meinung, dass sie das Huchting zeigen, dass ich kenne und liebe.
Weil die Verhältnisse so schwierig waren, habe ich auch sehr viel mit der digitalen Kamera gearbeitet. Aber diese Bilder gefallen mir bei weitem nicht so gut wie die Bilder auf Film. Das liegt vor allem daran, dass der Bildsensor um ein Vielfaches kleiner ist, als die Fläche des Filmes, den die Diana belichtet (sie benötigt 120 Film, fotografiert also im Mittelformat). Die Bilder der Canon sind deshalb viel matschiger als die der Diana. Der eine oder andere schöne Schnappschuss ist dennoch dabei.
Ich bin gespannt, welche Bilder der Verlag für sein Magazin auswählt. Wir haben im Vorhinein besprochen, dass die Bilder wie Polaroids oder Instant-Bilder präsentiert werden könnten. Wenn es soweit ist, wird dieses Projekt ersteinmal abgeschlossen sein. Aber wer weiß? Vielleicht komme ich zum Fotografieren nach Huchting zurück. Ich glaube, ich habe Blut geleckt.
Schön das Du mir meine Heimat etwas näher bringst
Gerne, Susanne! Wann bist du denn aus Huchting weggezogen?
Interessante Aufnahmen, spannend deine Sicht von Huchting. Bin auf das Buch gespannt