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Gofi Müller Beiträge

Donnerstag, 31. Oktober 2019

Teil des Informationszeitalters zu sein, bedeutet, dass geistige Inhalte aller Art, ob es sich nun um Zeitungsartikel, Blogposts, Bücher, Lieder, Kunstwerke oder wissenschaftliche Arbeiten handelt, Produkte sind, die verkauft werden sollen.

Die Orte, an denen diese Produkte angeboten werden, die sozialen Netzwerke, die Verlage, die Buchhandlungen, die Zeitungen und Magazine und was es da sonst noch so alles gibt, bilden gemeinsam den riesigen Marktplatz, auf dem die Produkte feilgeboten werden.

Am besten verkauft, wer am lautesten schreit und wer sich am nachhaltigsten in das Bewusstsein der Käufer drängt. Das betrifft inzwischen nicht mehr nur Boulevard Zeitungen oder zwielichtige Internetseiten, sondern auch solche Medien, die nach ihrem Selbstverständnis seriös sind. Deshalb greifen auch sie inzwischen auf marktschreierische Überschriften und unlautere Verkaufsmethoden zurück.

Dass die Qualität sich am Ende durchsetzen wird, ist ein Irrtum. Denn Qualität muss zunächst bemerkt werden und sich dann herumsprechen. Das aber dauert. Bis es soweit ist, hat die Konkurrenz bereits die Aufmerksamkeit der Käufer erregt.

Neben der Lautstärke gibt es noch einen weiteren Faktor, der Menschen dazu bewegt, die eigenen geistigen Inhalte wahrzunehmen: Nützlichkeit. In einem überbordenden Angebot an Informationen suchen Menschen nach dem, was ihnen nützt. Wenn es dann auch noch in relativ kurzer Zeit konsumiert werden kann, umso besser.

Ich frage mich, was man in solch einer Situation tut, wenn man Hersteller geistiger Inhalte ist, die niemandem nutzen, und gleichzeitig großen Wert auf die Qualität seiner Arbeit legt. Wenn man zum Beispiel ein Künstler ist.

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Dienstag, 29. Oktober 2019

Ich habe so meine Probleme mit dem Gottesdienstbesuch. Als gläubiger Mensch ertrage eigentlich nur noch traditionelle Gottesdienste. Neue Formen, neue Lieder bewirken bei mir sofort eine Art der Retraumatisierung, sie versetzen mich in eine Lebensphase, mit der ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht allzu viel anfangen kann.

Gleichzeitig ist die Natur für meine Spiritualität in den letzten Jahren wichtiger geworden. Mein Nachdenken über ihre spirituelle Relevanz hat etwa gleichzeitig mit meiner künstlerischen Arbeit zugenommen. Ich habe recht schnell empfunden, dass Naturspiritualität und Kunstspiritualität im Kern zusammengehören. Dass ich gegenüber vom Wald lebe, hat sicher dazu beigetragen. Daher hat die franziskanische Spiritualität für mich auch an Faszination gewonnen, je mehr ich mich mit ihr beschäftigt habe. Es beeindruckt mich, dass Franziskus allem Geschöpflichen als Gegenüber, ja sogar als Bruder und Schwester begegnet.

Ich gehe also gerne in traditionelle Gottesdienste. Leider finden Sie meistens vormittags statt. Aber das Wochenende ist für mich der Zeitraum der Woche, an dem nicht das gnadenlose Zeitdiktat des Alltags herrscht. Allein die Tatsache, am Wochenende einen festen Termin zu haben, an den ich mich halten muss, versauert mir alles. Nicht ausschlafen zu können, nicht ausgiebig frühstücken zu können, nicht lange am Tisch mit meiner Frau reden zu können, weil es da einen Termin gibt, den ich wahrzunehmen habe, würde den Sonntag für mich zum Alltag machen. Und das geht nicht.

Ich habe deshalb am vergangenen Sonntag beschlossen, etwas Eigenes zu machen. Ich habe nach dem Frühstück das alte Kirchengesangbuch eingesteckt, das meine Mutter mir geschenkt hat, und mein Handy und bin bei Regen in den Wald gegangen. Im Gesangbuch steht die liturgische Abfolge eines evangelischen Gottesdienstes. Mein Handy brauchte ich, um die von der Liturgie für den Sonntag vorgesehenen Bibeltexte lesen zu können. Der Fußweg zu dem Ort im Wald, den ich mir ausgesucht hatte, dauert etwa 20-30 Minuten. Diese Zeit konnte ich dafür nutzen, um nachzudenken beziehungsweise zu meditieren. Vor kurzem ist unser alter Nachbar gestorben. Mein Weg führte mich an seinem Haus vorbei. Ich dachte über das Sterben nach, über das, was wir unser Zuhause nennen und was dann leer steht, wenn wir nicht mehr da sind. Ich empfand diese Gedanken aber gar nicht als dunkel. Der Wald ist gerade voller herbstlichem Gelb, Braun und Rot, und auch wenn er viel vom Älterwerden, vom Abschiednehmen spricht, ist er doch ein wunderschönes sinnliches Erlebnis. Wenn ich unterwegs Spaziergänger traf, betrachtete ich sie als Teilnehmer der Veranstaltung und grüßte sie freundlich.

Die Stelle im Wald ist etwas höher gelegen. Die Bäume dort sind etwa um die 200 Jahre alt und stehen recht weit voneinander entfernt, so dass es aussieht wie eine Säulenhalle und ein wenig an eine gotische Kathedrale erinnert. Ich stellte mich mitten zwischen die Bäume und holte mein Gesangbuch heraus. Mein Eindruck war eigentlich nicht, dass ich alleine wäre. Ganz im franziskanischen Sinne empfand ich die Bäume, die Vögel und die anderen Pflanzen um mich herum als Teil der Gemeinschaft, als Teil des Gottesdienstes. Umgeben von Jahrhunderte alten Bäumen sang ich Jahrhunderte alte Gebete und las laut Jahrtausende alte Texte. Diese Erdung in der Tradition in Gegenwart der alten, aber ganz jetzigen Natur empfand ich als eine total gute, an und für sich christliche Hinwendung zur Gottheit und gleichzeitig zur Diesseitigkeit. Ich fand: Beten war unter diesen Umständen etwas Leichtes, etwas vollkommen Natürliches.

Der Gottesdienst endete wie alle mit dem ‚Vater unser‘ und einem gesungen Amen. Danach ging es wieder nach Hause, und dass ich mich auf dem Weg sehr leicht fühlte, hatte nicht nur damit etwas zu tun, dass es meistens bergab ging. Ich werde das sicher noch öfter wiederholen.

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Se7en und das Ende der Welt

In meinem Podcast ‚Hossa Talk‘, den ich zusammen mit meinem Buddy Jay mache, reden wir diesmal über die Apokalypse, Greta Thunberg und die Frage, wie man sich angesichts der Klimaveränderung und der drohenden Zukunftsszenarien, die derzeit in viele Debatten entworfen werden, verhalten kann.

Dabei kommt auch meine Magisterarbeit zur Sprache, die ich über David Finchers Film ‚Se7en‘ geschrieben habe: ‚Die Apokalypse im ameriaknischen Film der 1990er Jahre – David Finchers Seven und die Predigt vom Ende der Welt‘.

In unserem Talk verspreche ich den HörerInnen, die Arbeit zum Download zur Verfügung zu stellen. Hier ist sie. (Klick!)

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Freitag, 25. Oktober 2019

Die Cover Entwürfe sind da. Und sie sind ziemlich gut. Als sie eintrafen, war ich gerade dabei Hossa Talk zu schneiden. Mein Puls war sofort auf 180. Ich habe die Arbeit unterbrochen und nachgeschaut. Und dann war ich eigentlich recht positiv überrascht.

Die Grafikerin hatte die geniale Idee, den Titel ‚Huchting‘ als ein Ortsschild darzustellen. Das ist klug, denn woher sollen Leute wissen, dass Huchting ein Ort ist, ein Stadtteil von Bremen? Ich habe die Entwürfe meiner Frau gezeigt, und wir waren uns ziemlich schnell einig, welcher Entwurf der beste ist. Jetzt bin ich ziemlich erleichtert.

Schön auch, dass der Titel schlicht Huchting heißen und nur den Untertitel ‚Geschichten von der Straße‘ tragen wird. Jetzt gibt es noch Kleinigkeiten am Manuskript zu ändern (zum Beispiel die Titel der Geschichten) und dann ist das Ding fertig. Im Verlag freuen sie sich. Und ich freu mich auch. Ich glaube ganz ehrlich, dass mir da ein wirklich gutes Buch gelungen ist.

Das Gefühl stellt sich ein, das ich immer habe, wenn ein Projekt abgeschlossen ist. Und das bedeutet für meine innere Ideenproduktion, dass die Maschinen langsam wieder anlaufen. Gestern habe ich angefangen, über den nächsten Roman nachzudenken.Ich weiß ja schon ganz viel: Es wird der Nachfolgeroman zu TimTom Guerilla und natürlich auch zu Huchting, denn der Kurzgeschichtenband ist ja ein Zwischenschritt zwischen diesen beiden Teilen und bereitet den nächsten Roman vor, indem er die Handlungsorte und die Charaktere einführt. Jetzt muss TimTom nur noch nach Huchting ziehen, und dann kann die Geschichte ihren Lauf nehmen.

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Fotostory: Face the Music

Es ist schon einige Monate her: Im Mai spielten meine Freunde von der Marburger Band Phimus ein Konzert im Marburger Kulturzentrum KFZ. Es war ein Abend, der von drei Bands gemeinsam bestritten wurde. Auch unser Freund Magnus gehörte zum Line Up.

David, Doro, Madita, Benny, Jona und Johanna, die alle gemeinsam Phimus bilden, erlaubten mir, sie mit der Kamera vor und hinter der Bühne zu begleiten.

Ich schnappte mir also meine alte Mamiya 645, die ich auch schon in Israel dabei gehabt hatte, steckte viele Rollen Film ein (Ilford HP5) und traf sie an Ort und Stelle. Mein Ziel war es, eine Art Fotoreportage in dem alten Look zu erstellen, den ich früher so gerne in Musikmagazinen betrachtet hatte: Körnige Schwarzweißfotos mit dramatischem Licht und harten Kontrasten.

Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Filmkamera bei diesen Lichtverhältnissen und während eines Konzertes gearbeitet habe. Einfach war das nicht, um es mal vorsichtig auszudrücken. Insgesamt verschoss ich neun Filmrollen mit jeweils 15 Bildern. Die anschließende Entwicklung hat mich für jede Rolle etwa zwei Stunden gekostet.

Dies hier sind die schönsten Bilder.

Vorbereitungen: Davids Posaune wartet in einer Ecke auf ihren Einsatz.
Jona beim Soundcheck.
Benny arrangiert sein Drum Set.
Magnus checkt seine Gitarre.
Madita erläutert Benny ihren Kontrabass.
David probiert den Bass aus, Jannick (von Einsneunzig) schaut ihm dabei zu.
Ein großer Teil des Musikerdaseins besteht darin zu warten. Hier ist es Doro, die Sängerin.
Madita kümmert sich um den Merch-Tisch, begleitet von Davids fachkundigen Kommentaren.
Das Bandfoto wurde von mir geschossen, in meinem Keller, auf Polaroid.
Erneutes Warten.
Magnus spielt.
Moritz von MAGNUS.
Backstage. Ruhe vor dem Sturm.
Letzte Proben vor dem Auftritt.
Freunde der Band im Backstagebereich.
Doro und Johanna (Keyboard) treffen letzte Vorbereitungen.
Boom!
Kontakt mit den Fans.
Moritz und Florian von MAGNUS nach dem Konzert.
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Mittwoch, 23. Oktober 2019

Unsere beiden Nymphensittiche Marx und Engels beginnen den Tag nicht mit der Überlegung, welches Projekt sie heute verfolgen werden. Sie denken nicht über den gestrigen Tag nach und fragen sich, warum sie ihre gesteckten Ziele nicht erreicht haben. Sie grämen sich nicht, dass sie noch nie zum nahe gelegenen Wald geflogen sind. Sie nehmen sich nicht vor, den Garten vor dem Haus näher zu erkunden. Alles was sie wollen, ist fressen, spielen, fliegen, singen und die Bücher im Regal zerstören. Sie haben keinen Grund, schlechte Laune zu haben oder über irgendetwas traurig zu sein. Wenn man sie besucht, freuen Sie sich. Auf Zuneigung reagieren sie mit Zuneigung. Sie nehmen sich ein wenig Zeit, sich mit dem Besucher zu beschäftigen. Dann müssen sie wieder fliegen, fressen, spielen, singen, das Gefieder putzen und Bücher zerstören. Und wenn ich mich zu ihnen setze und ihnen dabei zuschaue, geht es mir hinterher besser.

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Dienstag, 22. Oktober 2019

Heute Morgen beim Aufstehen habe ich gelesen, dass ein erzkonservativer christlicher Leiter aus den USA namens McArthur sich über eine progressive Predigerin lustiggemacht und sich über den zunehmenden Einfluss von Frauen in der Kirche beklagt hat. Ich bin immer wieder darüber erstaunt, dass sich die religiöse Welt als etwas von der Gesellschaft Abgesondertes versteht und nicht zu begreifen scheint, dass die ganz normalen gesellschaftlichen Prozesse in ihr genauso stattfinden wie überall sonst auch. Wenn auch ein bisschen später.

Im Moment lese ich ‚Propaganda’ von Stefan Kopetzky. Die Hymnen auf diesen Roman in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen, der Zeit, der Frankfurter Rundschau und wie sie alle heißen verstehe ich nicht so recht. Er ist nicht schlecht. Eigentlich finde ich, es ist eher ein interessantes, als Roman getarntes Sachbuch. Besonders spannend finde ich die Schilderung, wie der amerikanische Propagandaapparat direkt nach dem zweiten Weltkrieg in Europa eine Art liberal-progressiven Think Tank installiert, in den sie Journalisten, Schriftsteller und andere Intellektuelle berufen, und Redaktionen etablieren, die in der nachfolgenden Zeit für die Berichterstattung und die Meinungsbildung verantwortlich sind. Das alles in einer Zeit, in der die USA selbst unter Truman und McCarthy stramm nach rechts wandern, so dass die (inzwischen ehemaligen) Propagandakrieger ein losgelöstes liberales Raumschiff fern vom Mutterkontinent bilden.

Das widerspricht natürlich so ein bisschen dem Mythos, dass das progressive Denken eine Folge des nüchternen Nachdenkens, des gesunden Abwägens guter Argumente ist. Es beschleicht einen das Gefühl, dass wir alle nur Teil eines Ringes zweier großer ideologischer Lager sind, die sich gegenseitig beharken und mal überlegen und mal unterlegen sind, je nach Stimmung und gesellschaftlicher Lage. Ich hoffe, das ist nicht der Fall. Wenn es aber so wäre, dann wüsste ich schon, auf welcher Seite ich stehe.

Noch mal zur ‚Propaganda‘: Rein informativ betrachtet ist es ein lesenswertes Buch, literarisch jedoch ist es eine Enttäuschung.

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Montag, 21. Oktober 2019

Letzte Nacht habe ich geträumt, dass wir in eine nagelneue Wohnung gezogen sind. Bevor wir sie betreten haben, habe ich mit einem kleinen Jungen gesprochen, der mich unbedingt zu seinem Geburtstag einladen wollte. Wenig später hörte ich den Anrufbeantworter ab. Der erste Anruf kam von einem Radiosender mit einer Nachricht für Heike Hypertext. Sie habe beim Preisausschreiben gewonnen und solle sich melden, um ihre Prämie zu bekommen. Der zweite Anruf war vom Vater des Jungen. Er habe über mich Nachforschungen angestellt und herausgefunden, dass ich ein Betrüger und Schaumschläger sei. Ich solle mich von seinem Sohn fernhalten und sie nie wieder kontaktieren.

So ein bisschen hänge ich in der Luft. Huchting ist abgeschlossen. Das Manuskript ist beim Verlag. Jetzt stehen noch Absprachen aus über den Titel, das Cover und Einzelheiten des Manuskriptes. Und theoretisch könnte ich mich dem nächsten größeren Projekt zuwenden. Aber ich weiß nicht, ob ich schon soweit bin. Ich könnte mir mit kleineren Projekten die Zeit vertreiben, die Podcasts schneiden, wieder mehr fotografieren. Aber reicht mir das?

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Freitag, 18. Oktober 2019

Ignatius von Loyola vergleicht das Leben eines Menschen mit einem unförmigen Baumstamm, der sich nicht vorstellen kann, dass aus ihm eine bewunderte Statue werden könnte, und der deshalb zögert, sich dem Beitel der Bildhauerin anzuvertrauen.

In diesem Bild stellt die Bildhauerin Gott da. Und es wird angenommen, dass Gott das Leben des Menschen so behandeln möchte, wie die Bildhauerin den Baumstamm, damit aus dem unförmigen und unschönen Baumstamm etwas Schönes entstehen möge.

Jetzt finde ich jeden herkömmlichen Baumstamm schöner als irgendeine Statue. Die komplexe und auch krude Schönheit von etwas, das gewachsen ist, übertrifft doch weit jede noch so naturalistische Darstellung von irgendetwas.

Ich möchte viel lieber an einen Gott glauben, der die Dinge so wachsen lässt, wie es ihm gefällt, als an den, der die Dinge nach seiner Vorstellung zurechthaut. Natürlich, es geht Ignatius auch um das Element des Schmerzes und des notwendigen Leidens. Sein Bild ist letztlich ein Versuch, Leid als etwas Positives hinzustellen.

Aber vor allem geht es ihm doch wohl um die Aussage, dass der Mensch sich dem Handeln Gottes an sich selbst anvertrauen soll, damit Gott aus seinem Leben etwas Gutes, Schönes macht.

Gegen ein paar Schläge habe ich nichts einzuwenden. Trotzdem finde ich, dass der Schöpfer dem Künstler immer noch meilenweit überlegen ist. Und gewachsene Schönheit ist schöner als gehauene.

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